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Fachkräftemangel Keiner will sich schmutzig machen

Bis 2020 werden mindestens 80.000 Fachkräfte in Sachsen-Anhalt fehlen. Der Mangel macht sich vor allem in Ballungszentren bemerkbar. Einige wenige Unternehmen bilden zwar Nachwuchs aus, doch viele haben es bisher versäumt, personell vorzusorgen.

22.05.2015, 01:12

Halle/Magdeburg l Jens Rudloff gehört zu den wenigen Unternehmern, die sich keine Sorgen machen müssen. "Wir haben eine gesunde Mischung aus erfahrenen Mitarbeitern und Nachwuchskräften", erzählt der Inhaber eines Zwölf-Mann-Betriebs in Magdeburg, in dem Natursteine unter anderem für Küchenarbeitsplatten, Bäder, Fußböden und Außenbereiche verarbeitet werden. Die entspannte Personalsituation hat allerdings einen Grund. Rudloff bildet seit Jahren regelmäßig aus: Naturwerksteinmechaniker und Industriekaufleute.

Andere Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe werden dagegen bis 2020 große Probleme bekommen. Allein in dieser Branche werden landesweit rund 17.000 freie Stellen nicht mehr besetzt werden können. Das geht aus der Studie hervor, die das Zentrum für Sozialforschung und die Bundesagentur für Arbeit in Halle am Donnerstag vorgestellt haben. Den Forschern zufolge wird sich der Fachkräftemangel regional sehr unterschiedlich bemerkbar machen.

Im wirtschaftlich florierenden Großraum Magdeburg werden insgesamt rund 31.000 Fachkräfte fehlen, vorwiegend in den Bereichen verarbeitendes Gewerbe, Maschinenbau und Sozialwesen. Auch in der Region Halle-Leipzig wird eine Lücke von 31.000 entstehen, hier sind besonders die Chemieindustrie und die Gesundheitswirtschaft betroffen. Im strukturschwachen, landwirtschaftlich geprägten Norden des Landes rechnen die Forscher lediglich mit einer Lücke von knapp 5000 Fachkräften.

Die Arbeitsmarktexperten sorgen sich vor allem um die kleinen Betriebe. Obwohl das Verhältnis von älteren zu jüngeren Beschäftigten oft inzwischen bei vier zu eins liegt, sehen 25 Prozent der Unternehmen noch immer keinen Handlungsbedarf. "Dabei kann es zehn Jahre dauern, bis eine Nachwuchskraft voll ausgebildet ist", warnt Arbeitsagentur-Chef Kay Senius. Sein Rat: Mitarbeiter weiterbilden, geringer Qualifizierten und Arbeitslosen eine Chance geben. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bietet hier unterstützende Programme.

Jens Rudloff hat damit schon gute Erfahrungen gemacht. "Ich habe drei Mitarbeiter eingestellt, die vorher nur einen Hauptschulabschluss hatten und mit Hilfe der BA weitergebildet wurden." Und wer bei Rudloff arbeiten will, muss gut gerüstet sein. "Wir verarbeiten Steine nicht mehr mit Hammer und Meißel, wir setzen auf automatisierte Maschinen", betont er. "Nur so erreichen wir die Präzision, die der Kunde von uns verlangt."

Seit einigen Jahren beobachtet Rudloff aber auch, dass handwerkliche Berufe vom Nachwuchs verschmäht werden. "Kaum einer will sich heute noch die Hände schmutzig machen." Auf eine Bewerbung zur Mechanikerausbildung kommen bei Rudloff 15 Anfragen für die kaufmännische Lehre. "Die Jugendlichen verkennen, dass es sich auch beim Mechaniker-Beruf um eine sehr anspruchsvolle, kreative Tätigkeit handelt."