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Landtag befasste sich mit Berichten von Untersuchungsausschüssen Streit über Behördenschuld beim Müll – Kritik am Umgang mit Polizisten

Von Thomas Struk 04.02.2011, 04:29

Magdeburg (dpa). Der Landtag hat gestern über die Berichte von Untersuchungsausschüssen zu Ermittlungspannen bei der Polizei, illegale Abfallentsorgung im Land und Strafversetzungen bei der Polizei debattiert.

Die Strafversetzung zweier hoher Beamter im Innenministerium im Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre ist aus Sicht eines Landtagsuntersuchungsausschusses nicht zu beanstanden. Das geht aus dem Abschlussbericht des Gremiums hervor, über den der Landtag gestern beriet. Innenminister Holger Hövelmann (SPD) und die Vertreter der Koalition bezweifelten deshalb, ob der Untersuchungsausschuss nötig gewesen sei und warfen der Opposition ein Wahlkampfmanöver vor. Anlass für den Untersuchungsausschuss war die Strafversetzung zweier Ministeriumsbeamter. Sie sollen jahrelang von finanziellen Problemen eines später zum Vize-Polizeipräsidenten der Direktion Nord beförderten Beamten gewusst, aber die Spitze des Innenministeriums nicht informiert haben. Zu der Beförderung hätte es nie kommen dürfen: Denn Beamte mit hohen Schulden gelten als korruptionsanfällig und als ungeeignet für solch hohe Posten.

Im August 2009 wurde der Vize-Polizeipräsident vom Dienst suspendiert, nachdem konkrete Verdachtsmomente gegen ihn aufkamen. Inzwischen ist er wegen Betrugs im Zusammenhang mit einer geerbten Immobilie und wegen Bestechlichkeit wegen der Vergabe von Druckaufträgen für die Polizei angeklagt.

Bei der Aussprache zum Bericht eines zweiten Polizei-Untersuchungsausschusses zeigt sich Innenminister Hövelmann erleichtert über die Ergebnisse. "Mit großer Genugtuung habe ich die Ergebnisse zur Kenntnis genommen", sagte Hövelmann gestern im Landtag. "Die Polizei ist nicht auf dem rechten Auge blind. Eine institutionalisierte Fremdenfeindlichkeit ist erst recht nicht festzustellen. Wo im Einzelfall Fehler gemacht wurden, wurde angemessen reagiert."

Schauspieler-Überfall

Der Ausschuss hatte sich jahrelang mit Pannen bei Ermittlungen nach mutmaßlich rechtsextremen Taten beschäftigt, unter anderem mit dem Überfall auf Schauspieler in Halberstadt.

Zwar sind sich alle Fraktionen einig, dass ein pauschaler Vorwurf, die Polizei ermittele nicht energisch genug bei rechtsextremen Taten, nicht zulässig sei. In einigen Punkten haben die Ausschussmitglieder keine einheitliche Position, vor allem zur sogenannten Dessauer Polizeiaffäre.

Im Frühjahr 2007 waren drei Staatsschützer an die Öffentlichkeit gegangen, weil sie der Ansicht waren, ein Vorgesetzter habe sie bei Ermittlungen gegen den Rechtsextremismus bremsen wollen. Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen sieht die Linke diesen Vorwurf als erwiesen an. Deshalb äußerte sich die Linksfraktion in einem Sondervotum zu diesem Fall. Kritisch zum späteren Umgang mit den Staatsschützern äußerte sich aber auch FDP-Vertreter Guido Kosmehl. So hatte das Innenministerium Disziplinarverfahren gegen die Männer eingeleitet, weil sie mit dem Vorwurf direkt an die Öffentlichkeit gegangen waren.

Bemängelt wurde allenthalben der Polizeieinsatz nach dem Überfall auf die Schauspieler im Juni 2007. Das Amtsgericht Halberstadt hatte einen rechtsextremen Angeklagten verurteilt, aber im Gegensatz zur Anklage keinen Beleg für ein politisches Motiv der Tat gesehen. Weil die Polizei am Einsatzort laut einem Untersuchungsbericht überfordert war, wurde der brutale Angriff auch zu einem Fall für die Politik.

So wurde der später verurteilte Mann zunächst laufen gelassen, obwohl mehrere Opfer die Polizisten am Tatort auf ihn aufmerksam gemacht hatten. Es habe "massive Fehler und gravierende Versäumnisse" gegeben, sagte die Linke-Abgeordnete Gudrun Tiedge. Sie stellte aber gestern klar, dass es auch ihrer Fraktion nie darum gegangen sei, die Polizei in Sachsen-Anhalt unter Generalverdacht zu stellen.

Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) hat die illegale Abfallentsorgung in den Tongruben Vehlitz und Möckern im Jerichower Land allein auf "kriminelles Vorgehen" der Betreiber zurückgeführt. Landesweit gebe es keine Probleme bei der Abfallentsorgung, sagte Haseloff gestern im Landtag in Magdeburg. Auch Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) sprach von Einzelfällen, die allerdings "erheblich und nicht zu unterschätzen" seien.

In der Debatte über die Ergebnisse des Abfall-Untersuchungsausschusses des Landtags stießen die beiden Minister damit auf Widerspruch bei FDP und Linken.

"Das stimmit nicht"

"Das stimmt nicht", entgegnete der FDP-Abgeordnete Gerry Kley dem Wirtschaftsminister. Es handele sich zwar um Einzelfälle, jedoch habe es Warnhinweise aus der Bevölkerung gegeben, die von den Behörden nicht ernst genommen worden seien.

Der Linke-Abgeordnete André Lüderitz sagte, Haseloff trage die Verantwortung für die illegale Abfall-Entsorgung in den Tongruben. Sie fallen in die Zuständigkeit das Landesamtes für Geologie und Bergwesen, das dem Wirtschaftsministerium zugeordnet ist.

In Vehlitz und Möckern sollen bis zu 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll lagern, obwohl dort nur mineralische Abfälle wie Bauschutt erlaubt waren. Haseloff sprach gestern von "eklatanten Verstößen". Die Staatsanwaltschaft Stendal ermittelt noch in beiden Fällen.

In dem Untersuchungsausschuss bestätigten sich laut dem Abschlussbericht auch illegale Praktiken in der Recyclinganlage Riestedt nahe Sangerhausen im Landkreis Südharz-Mansfeld. Dort wurden nach Behördenangaben 60 000 Tonnen Müll illegal abgekippt.

Auch in der Deponie Freyburg-Zeuchfeld (Burgenlandkreis) wurde demnach ohne Genehmigung organischer Abfall entsorgt. Der Landtag hatte den Untersuchungsausschuss im Mai 2008 eingesetzt.