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Gift in Eiern und im Hühnerfleisch / Wer trägt die Schuld? / Bauern sind empört Dioxinbelastetes Industrieöl im Hühnerfutter

05.01.2011, 04:25

Wer ist schuld am Dioxin in Eiern und Tierfutter? Staatsanwälte ermitteln gegen den Futterhersteller, die Regierung prüft Konsequenzen. Bauern sind wütend, Verbraucher verunsichert.

Hannover/Berlin (dpa). Nach den Dioxinfunden in Eiern und Tierfutter prüft die Bundesregierung schärfere Regeln für die Hersteller. Ursache des Skandals war die Verwendung von Fett, das nur für technische Zwecke geeignet ist, in der Futtermittelproduktion. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Firma Harles & Jentzsch aus dem schleswig-holsteinischen Uetersen.

Viele Verbraucher sind verunsichert. Dioxin kann Krebs auslösen. Welche Lebensmittel verseucht sind, wird erst in einigen Tagen feststehen.

Die genaue Quelle der Verunreinigung ist weiter unbekannt. Die Betroffenen weisen sich gegenseitig die Verantwortung zu. Mehr als 1000 Bauernhöfe in mehreren Bundesländern sind gesperrt. Sie dürfen ihre Ware erst wieder verkaufen, wenn sie auf eigene Kosten in Labortests die Unbedenklichkeit nachgewiesen haben.

Besser keine Eiergerichte für Kinder

Erste Testergebnisse in Niedersachsen ergaben: Bei 15 von 18 untersuchten Höfen, die Eier produzieren, lag die Dioxin-Menge in den Eiern unterhalb der erlaubten Höchstgrenze. Das teilte das Agrarministerium mit. In einem Betrieb sei bei Eiern der Grenzwert überschritten, in zwei anderen Beständen seien kritische Werte ermittelt worden.

Möglicherweise ist dioxinbelastetes Geflügelfleisch von Sachsen aus in den Handel gelangt. Anfang Dezember wurde in einem Zuchtbetrieb im Landkreis Görlitz Geflügel geschlachtet, das vermutlich verseuchtes Futter gefressen hatte, wie das zuständige Landratsamt mitteilte. "Wohin das Fleisch ging, muss jetzt geprüft werden", sagte Amtssprecher Andreas Johne. Vermutlich sei es bereits verzehrt.

Politiker versicherten, dass keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher bestehe. Das Bundesinstitut für Risikobewertung gab ebenfalls vorläufig Entwarnung. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnte vor Panikreaktionen, riet aber, Kinder sollten derzeit sicherheitshalber nicht täglich Eiergerichte essen.

Die Verbraucherzentralen verlangten mehr Information und bessere Kontrolle. "Die Behörden müssen die Öffentlichkeit aktiv informieren, welche Hersteller, Händler und Chargennummern betroffen sind", forderte Vorstand Gerd Billen.

Harles & Jentzsch kaufte nach eigenen Angaben jahrelang Reste aus der Biodiesel-Herstellung auf und verarbeitete sie für Viehfutter. "Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist", zitierte das "Westfalen-Blatt" den Geschäftsführer Siegfried Sievert.

Der Lieferant des Rohstoffs, die Petrotec AG aus Borken (Nordrhein-Westfalen), betonte: "Wir haben in sämtlichen Verträgen, Lieferscheinen und Rechnungen stets darauf hingewiesen, dass die Mischfettsäure aus Altspeisefett nicht für die Lebens- und Futtermittelindustrie, sondern ausschließlich zur technischen Verwendung bestimmt ist." Technische Verwendung kann zum Beispiel als Schmierfett sein.

Sondersitzung des Agrarausschusses

Industriefette sind billiger als Nahrungsmittelfette. "Es stellt sich die Frage, ob es nicht ein zu hohes Risiko darstellt, wenn Betriebe, die Bestandteile für Futtermittel liefern, gleichzeitig technische Produkte vertreiben, die unter keinen Umständen in Lebensmittel oder Futtermittel gelangen dürfen", sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) der "Berliner Zeitung". Ihr Ministerium werde mit den Ländern prüfen, ob und wie die Zulassungsbedingungen für Betriebe verschärft werden müssten. Der Agrarausschuss des Bundestags plant eine Sondersitzung.

Der Deutsche Bauernverband hält einen Millionenschaden für die gesperrten Höfe für möglich. "Wir reden über eine Sperrung von vielleicht einer Woche. Das tut weh. Das sind sehr schnell 10 000 oder 20 000 Euro Umsatz weniger in einem landwirtschaftlichen Betrieb", sagte Generalsekretär Helmut Born. Er forderte Schadenersatz: "Wer den Schaden verursacht, bezahlt ihn auch." Der Landesbauernverband Sachsen-Anhalt e.V. für dringend erforderlich, dass die durch Vermarktungsverbot, zusätzliche Laboruntersuchungen und auferlegte Tötung von Tieren belasteten Betriebe umgehend entschädigt werden. Futtermittellieferanten müssen für die gesamten finanziellen Folgen aufkommen und unverzüglich die Rechnungsbeträge für die dioxinhaltigen Futtermittel erstatten.

Betroffen sind neben Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mindestens auch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Allein in Niedersachsen müssen die rund 1000 gesperrten Höfe nachweisen, dass ihre Lebensmittel unbedenklich sind. Solange dürfen sie mit Eiern und Fleisch nicht handeln. Die Kosten für die Kontrolle müssen sie selber bezahlen. Die gesamten Labor-Tests könnten Wochen dauern, sagte ein Sprecher des Agrarministeriums in Hannover.

Bei den Landwirten wächst inzwischen die Empörung. "Da ist kriminelle Energie am Werk gewesen", sagte der ammerländische Kreislandwirt Manfred Gerken.

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt gegen Verantwortliche von Harles & Jentzsch. Oberstaatsanwalt Ralph Döpper in Itzehoe sieht einen Anfangsverdacht auf Verstoß gegen das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittel-Gesetz. Auch die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Oldenburg ist eingeschaltet. Sie nahm ein Tanklager und eine Rührstation für Futterfett in Bösel bei Cloppenburg, die zu Harles & Jentzsch gehören, unter die Lupe.