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Der vergebliche Versuch, in der Wendezeit in die Offensive zu kommen SED-Politbüro serviert Honecker ab

Von Jutta Schütz 16.10.2009, 04:57

Nach Massenprotest und Massenflucht verkündet der neue Mann an der SED-Spitze in Ost-Berlin am 18. Oktober 1989 in staatsmännischer Pose die Wende : Egon Krenz übernimmt die Macht vom zurückgetretenen Erich Honecker und erklärt noch am selben Tag per Ansprache im DDR-Fernsehen den neuen Anspruch der Partei. Die SED will die politische und ideologische Offensive in der DDR wiedererlangen. Jeder solle an der Erneuerung der sozialistischen Gesellschaft mitarbeiten, fordert der neue SED-Generalsekretär. Nur wenige Stunden zuvor war Erich Honecker offiziell abgetreten. Doch Krenz Rechnung geht nicht auf. Nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 sind seine Tage an der Spitze des SED-Regimes gezählt.

Unter dem Druck der Proteste und der Flucht von mehr als 100 000 DDR-Bürgern im Herbst 1989 wird Honecker nach mehr als 18 Jahren an der Spitze der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ( SED ) von den eigenen Genossen kaltgestellt. Sie wollen wenigstens ihre eigene Macht retten.

Offiziell tritt der greise Honecker wegen seiner angeschlagenen Gesundheit zurück. Auch seine Ämter als Staatsratsvorsitzender und Chef des Nationalen Verteidigungsrates muss der 77-Jährige niederlegen. Die Funktionen übernimmt der 52-jährige Krenz. Mit dem strikten Reformgegner Honecker müssen auch der SED-Wirtschaftsexperte Günter Mittag und der für die Medien zuständige Joachim Herrmann ihre Stühle räumen. Unter der Regie von Krenz, Günter Schabowski, Wolfgang Herger und Willi Stoph hatte sich eine knappe Mehrheit gegen Honecker im SED-Politbüro formiert. Damit ist das Machtzentrum um Honecker zerschlagen. Der Alt-Funktionär schlägt Krenz noch als seinen Nachfolger vor. Die Entmachtung wird auch daran deutlich, dass die staatliche Nachrichtenagentur ADN die Wahl von Krenz zum neuen SED-Chef noch vor dem Rücktritt Honeckers meldet.

Honeckers Frau Margot tritt als Bildungsministerin zwei Tage später zurück. Im März 1991 fliehen die heimatlos gewordenen Honeckers per sowjetischer Militärmaschine nach Moskau. Als Erich Honecker im Juli 1992 nach Deutschland zurückgebracht wird, muss er in Berlin in Untersuchungshaft. Das Verfahren wegen 50 fachen Totschlags von Flüchtlingen an der innerdeutschen Grenze gegen ihn wird 1993 wegen seiner Krebserkrankung eingestellt.

1994 stirbt Honecker im Alter von 81 Jahren im chilenischen Exil. Aus öffentlich gewordenen Briefen geht hervor, dass der gelernte Dachdecker den Untergang der DDR bis zu seinem Tod auf das Versagen des Kreml, Feinde im Westen und Verräter in den eigenen Reihen zurückführte. Nur wenige Tage vor seinem Rücktritt im Oktober 1989 hatte Honecker noch kämpferisch zum 40. DDR-Jahrestag verkündet : " Vorwärts immer, rückwärts nimmer. "

Auf den Machtwechsel reagiert der Westen verhalten. Bundeskanzler Helmut Kohl ( CDU ) meint, Krenz werde daran zu messen sein, ob er den Weg frei mache für überfällige Reformen. SPD-Ehrenvorsitzender Willy Brandt spricht von einem Tag, der als " beginnende Ummöbelierung " der politischen Verhältnisse in der DDR eingehen werde. Dagegen wünscht Kreml-Chef Michail Gorbatschow dem neuen Mann an der Spitze " aufrichtig Erfolg ".

Doch die Forderungen nach echten Reformen und Demokratie in der DDR werden nicht leiser. Die Demonstrationen ebben nicht ab. Obwohl Krenz nun die Fluchten von DDR-Bürgern bedauert, trauen viele dem Funktionär nicht. Sie haben nicht vergessen, dass Krenz wenige Monate zuvor die blutige Niederschlagung von Protesten in Peking befürwortet hatte. " Mit neuen Köpfen ändert sich die Politik nicht ", bringen es Demonstranten in Ost-Berlin auf den Punkt. Die Mitbegründerin der Oppositionsgruppe " Neues Forum ", Bärbel Bohley, meint : " Ich denke, die alte Politik wird fortgesetzt. "

Der Mann mit dem ewigen Lächeln hält sich nicht einmal zwei Monate an der Macht. Nach dem Fall der Mauer muss Krenz am 3. Dezember mit dem gesamten Zentralkomitee und dem SED-Politbüro zurücktreten – drei Tage später legt er unter dem Druck der Proteste auch seine anderen Ämter nieder. 1990 wird Krenz aus der SED ausgeschlossen.

Bis heute nimmt er für sich in Anspruch, dass die Wende ohne Blutvergießen verlief. Seine Verurteilung wegen der Mitverantwortung für den Tod von vier DDR-Flüchtlingen hat der heute 72-Jährige stets als " Siegerjustiz " zurückgewiesen.

DDR-WITZE

In der Fülle der politischen Witze in der DDR war Erich Honecker eine Hauptperson. Einige Beispiele :

Was ist der Unterschied zwischen Honecker und der Straßenbahn ? Die Straßenbahn hat mehr Anhänger.

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Kann man im " Neuen Deutschland " einen Elefanten einwickeln ? Ja, wenn eine Honecker-Rede darin abgedruckt ist.

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Erich Honecker hat sich ein Bein gebrochen. Er ist in eine der vielen Versorgungslücken gefallen ...