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Telefonie in der DDR In den Vermittlungsstellen ratterten noch die Relais von 1922

Von Oliver Schlicht 21.11.2014, 02:13

Magdeburg l Es gab zu wenig Autos, kaum Fliesen und Apfelsinen viel zu selten. Aber auch Telefonanschlüsse waren eine Seltenheit. Nach Angaben der Deutschen Post der DDR gab es zur Wendezeit nur 16 Anschlüsse pro 100 Einwohner. Insgesamt gab es in der DDR am Ende nur 1,6 Millionen Telefonanschlüsse. Zur gleichen Zeit waren es in der Bundesrepublik 30 Millionen Anschlüsse. In der DDR mussten Postkunden oft jahrelang auf einen Anschluss warten. Die Vermittlungsstellen in den Bezirkshauptstädten war nur für wenige tausend Teilnehmer ausgelegt. In den Vermittlungsstellen gab es kaum Technik mit integrierten Schaltkreisen, stattdessen ratterten noch Relais aus der Vorkriegszeit. Name der Vermittlungen: "System 22" - Technik aus dem Jahr 1922.

Warum waren die Vermittlungsstellen so veraltet? Schließlich waren Elektronik und Computer ab den 1970er Jahren auch in der DDR keine Fremdwörter mehr? Gottfried Schuppang, Ende der 1970er Jahre Entwicklungschef im Funkwerk Berlin-Köpenick, nennt zwei Gründe: "Es gab nach dem Krieg mehrere moderne Siemens-Betriebe zur Herstellung der Bauteile von Relais-Vermittlungsstellen. Diese Bauteile waren bis zur Wende hoch begehrt in Osteuropa und in der Sowjetunion." Deshalb habe es keinen Grund gegeben, diese Betriebe zu modernisieren. "Und dann bestand politisch kein Interesse, den Austausch der Menschen über mehr Telefone zu fördern."

Telefonieren in der DDR war exotisch. So änderte sich je nach Anrufer-Standort häufig die Vorwahl der DDR-Städte. Gespräche ins Ausland mussten in der Regel angemeldet werden. Und das konnte dauern. Zwischen beiden deutschen Staaten gab es zur Wende nur 216 Leitungen. Das führte sofort zu Engpässen und findigen Geschäftsideen. So telefonierte anfangs das Opelwerk Rüsselsheim mit dem neuen Werk in Eisenach über die Schweiz, weil deren Verbindungen in die DDR nicht so überlastet waren. Solche Gespräche kosteten bis zu 21 Mark für drei Minuten. Auch über die Niederlande wurden anfangs Telefonanschlüsse für westdeutsche Geschäftsleute beworben, schrieb "Der Spiegel" 1990. Grundgebühr im Monat: 500 Mark - Westmark.