Mit "Slutwalks" protestieren Frauen mit knapper Kleidung gegen sexuelle Belästigung Aufmarsch der "Schlampen": Grabschen verboten
Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil: Frauen mit tiefem Ausschnitt und knappem Rock sind selbst schuld, wenn sie sexuell belästigt oder gar vergewaltigt werden. Das meinte auch ein Polizist in Kanada, der damit "Schlampenmärsche" in aller Welt lostrat.
Washington (dpa). "Frauen sollten sich nicht wie "Schlampen" anziehen, wenn sie nicht Opfer sexueller Gewalt werden wollen." Dieser Rat eines Polizisten bei einem Vortrag über persönliche Sicherheit an einer Universität im kanadischen Toronto veranlasste eine Handvoll Studentinnen im April, aus Empörung auf die Straße zu gehen. "Slutwalk" (Schlampenmarsch) nannten sie ihren Protest.
Sie verwandelten damit einen traditionell beleidigenden Ausdruck in einen neuen Schlachtruf gegen sexuelle Gewalt – und gegen die weit verbreitete Meinung, Frauen provozierten Übergriffe mit bestimmten Verhaltensweisen oder aufreizender Kleidung.
In nur vier Monaten ist aus der Initiative ein soziales Phänomen geworden, das sich über das Internet in allen Erdteilen ausbreitet – am 13. August ist in Washington der erste nationale "Slutwalk" der USA geplant, am selben Tag sollen auch in verschiedenen deutschen Städten, darunter Berlin, Demos dieser Art stattfinden.
"Einen solchen Erfolg hätten wir nie für möglich gehalten", sagt Heather Jarvis, die im April den Protestmarsch in Toronto organisiert hat. Dazu aufgerufen hatte sie über Facebook und andere soziale Netzwerke. "Damals sagten wir: Wäre es nicht toll, wenn zumindest 100 Menschen kommen würden?", erinnert sich die 25 Jahre alte Studentin.
"Dass es nun "Slutwalks" in aller Welt gibt, ist einfach unglaublich", sagt sie staunend. Tatsächlich haben bereits London, Mexiko-Stadt, Sydney, Boston, Los Angeles, Houston, Amsterdam, Stockholm, São Paulo, Neu-Delhi oder auch Tegucigalpa in Honduras "Schlampenmärsche" erlebt. 2012 soll sogar einer in Teheran stattfinden. Zu den Protesten gehört, dass die Demonstrantinnen in Miniröcken, Korsetts, Netzstrümpfen und Stöckelschuhen durch die Straßen ziehen – auch solidarische Männer sind oftmals dabei.
Den Erfolg führt Jarvis auf die leicht verständliche Botschaft zurück: "Es ist verkehrt und verletzend, dem Opfer die Schuld an einem sexuellen Übergriff zu geben. Wir müssen im Umgang mit den Opfern mit der Wortwahl vorsichtig sein."
Ähnlich äußert sich Samantha Wright, die den "Slutwalk" am 13. August in Washington organisiert. "Egal, welches Argument auch vorgebracht wird: Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung und nein heißt nein", sagt sie. "Wenn du diese Linie überschreitest, ist es eine Vergewaltigung. Es gibt keine Rechtfertigung dafür", bekräftigt die 23 Jahre alte Sportstudentin.
Trotz ihres Erfolgs lösen die "Slutwalks" bei Feministinnen auch eine heftige Debatte aus, teilweise stoßen sie sogar auf Ablehnung. "Ich kann verstehen, dass diese Protestmärsche versuchen, das Wort "Schlampe" vom Gift der Frauenhasser zu befreien. Das ist richtig und legitim", meinte die auf Frauenthemen spezialisierte Autorin Rebecca Traister in der Zeitung "New York Times". Sie kritisierte jedoch: "Dies in einer Art sexy Halloween-Kostümen zu tun, scheint mir aber weniger ein Sieg als eine Kapitulation vor den Erwartungen zu sein, mit denen junge Frauen bereits in der Gesellschaft konfrontiert werden." Die "Slutwalks" wirkten konfus und setzten Frauen genau den Angriffen aus, die sie eigentlich bekämpfen wollten, meinte Traister.
In der britischen Zeitung "Guardian" sprachen sich auch die Autorinnen Gail Dines und Wendy Murphy gegen die "Schlampenmärsche" aus. "Sie sind eine Verschwendung wertvoller feministischer Mittel", schrieben sie. "Die hässliche Realität wird sich nicht dadurch verändern lassen, dass Frauen dazu animiert werden, sich ¿schlampiger‘ zu geben", finden die britischen Autorinnen. Meinung