Polizei ermittelt Eine Tote, sieben Verletzte: Fragen nach Stuttgarter Unfall
Nichts deutet auf einen Anschlag hin. Doch was sich da genau an einer Kreuzung ereignete, müssen die Ermittler noch klären. Welche Rolle spielte dabei die Wucht eines so großen Geländewagens?

Stuttgart - Ein kleines Bund Rosen liegt im Gras am Straßenrand. Die Blüten rot und weiß - wie die Absperrgitter aus Kunststoff im Hintergrund. Sie säumen jene Stelle in der Stuttgarter Innenstadt, an der tags zuvor Menschen an einer Ampel standen und von einem Luxus-Geländewagen erfasst wurden.
Eine 46 Jahre alte Frau stirbt infolge des Unfalls. Sieben weitere Menschen werden verletzt. Unter ihnen sind fünf Kinder.
Keine Hinweise auf Anschlag
Neben die Trauer und das Gedenken gesellt sich zum einen ein Stück weit Erleichterung: Die Ermittler haben nach wie vor keine Hinweise darauf, dass der 42 Jahre alte Autofahrer ein Motiv im Sinne eines Anschlags hatte.
Sofort waren am Freitagabend die Vermutungen da - und die Gerüchte. Zu frisch sind die Erinnerungen an Mannheim, München, Magdeburg.
Noch am Abend betonen Polizei und Staatsanwaltschaft in Stuttgart: „Nach aktuellem Ermittlungsstand liegen derzeit keinerlei Hinweise vor, die auf eine vorsätzliche Gewalttat oder ein Anschlagsgeschehen schließen lassen.“ Deshalb gehe man von einem „tragischen Verkehrsunfall“ aus.
Am Samstagmorgen sagt ein Sprecher der Polizei, der Deutsche habe ein fünfjähriges Kind mit im Auto gehabt. Es sei wie sein Vater unverletzt geblieben. Vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass der Mann nichts Böses vorhatte.
Viele Fragen noch offen
Zum anderen ist da die Suche nach Antworten. Was zu dem Unfall an einer großen Kreuzung direkt an einer Stadtbahn-Haltestelle führte, bleibt bis auf weiteres ungewiss. Eine neue Mitteilung der Ermittler wird in Aussicht gestellt.
Am Freitagabend war ein Sachverständiger vor Ort. Polizistinnen und Polizisten vermaßen das schwarz lackierte Unfallauto, fotografierten und leuchteten auch noch einmal mit einer Taschenlampe unter die Mercedes-G-Klasse, als ein Abschleppwagen das Fahrzeug mit Hilfe eines Krans in die Luft gehoben hatte.
Den Unfallfahrer behält die Polizei über Nacht in Gewahrsam. Er wird den Angaben nach vernommen. Inwiefern er sich zum Hergang geäußert hat, sagt der Sprecher nicht. Auch macht er keine Angaben dazu, ob der Mann schon bei der Polizei bekannt war. Unklar bleibt zudem zunächst die Frage, ob das Auto dem 42-Jährigen gehörte oder vielleicht ein Leih- oder Firmenwagen war.
Weitere Verletzte außer Lebensgefahr
Jedenfalls war er damit nach ersten Erkenntnissen beim Rechtsabbiegen auf eine zweispurige Straße in die Menschengruppe geraten. Drei Erwachsene werden den Angaben zufolge lebensgefährlich verletzt. Die 46-Jährige erliegt wenig später im Krankenhaus ihren Verletzungen.
Um die beiden anderen kümmern sich Teams im Klinikum Stuttgart. Immerhin: Die Opfer gelten nach der Nacht als nicht mehr in Lebensgefahr.
Welche Rolle spielt der Fahrzeugtyp?
Liegt eine Ursache für die Verletzten-Zahl in der Wucht, die ein Geländewagen mit sich bringt? Bis das geklärt ist, wird es wohl noch eine Weile dauern.
Immer mal wieder kommt es aber zu Unfällen mit großen, schweren Fahrzeugen - häufig sogenannten SUVs (Sports Utility Vehicle: Geländelimousine oder Stadtgeländewagen). So war im Oktober ein Fahrer in Esslingen bei Stuttgart damit ins Schleudern geraten und nach rechts auf den Gehweg abgekommen. Eine Mutter und ihre drei und sechs Jahre alten Söhne kamen ums Leben.
2019 sorgte ein Unfall in Berlin für Aufsehen: Nach einem epileptischen Anfall rammte der Fahrer mit einem SUV eine Ampel, der Wagen überschlug sich mehrfach. Dabei erfasste er mit einem Tempo von mehr als 100 Kilometern pro Stunde vier Menschen auf dem Gehweg. Sie hatten keine Chance. Eine Debatte über ein SUV-Verbot in Innenstädten entbrannte. Und ebbte wieder ab.
Blick in die Statistik
SUV seien im Unfallgeschehen auch nicht gefährlicher als andere Pkw, teilte die Björn-Steiger-Stiftung nach Auswertung statistischer Daten im Dezember mit. „Grundsätzlich beeinflussen viele Parameter die reale Verletzungsgefahr. Eine hohe Front ist nicht unbedingt gefährlicher als eine kurze Front bei einem Kleinwagen“, erklärte Siegfried Brockmann, Unfallforscher der Stiftung, die einst nach dem Tod eines Achtjährigen infolge eines Autounfalls gegründet worden war.
Wie schwer sich ein Opfer verletzt, hängt demzufolge maßgeblich mit davon ab, ob der Kopf gegen den Scheibenrahmen prallt. Dies sei das härteste Teil am Fahrzeug. Gar nicht vorherzusehen sei der sogenannte Sekundäraufprall, hieß es. Gemeint ist die Kollision mit einem Hindernis oder der Fahrbahnoberfläche.
Im Jahr 2023 erfasste das Statistische Bundesamt 159.118 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen das Fahrzeug in ein Segment eingeordnet wurde. 15.285 Mal waren SUV Hauptverursacher, 8.885 Mal Geländewagen.
Der Anteil der Fußgänger unter den bei den Unfällen Getöteten war jeweils gering: Unter 121 Toten nach von SUV verursachten Unfällen waren 7 Fußgänger. Bei Geländewagen waren es 8 von 81.