Kommune Bezirksbürgermeister verliert Rückhalt in eigenen Reihen
Der Druck auf den Grünen-Politiker Stephan von Dassel in der Stellenaffäre wächst. Seine eigene Grünen-Fraktion im Bezirksparlament sagt sich von ihm los. Und nun steht ein Disziplinarverfahren an.
Berlin - Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, verliert in der Affäre um seine Einflussnahme bei der Besetzung einer Verwaltungsstelle Rückhalt in den eigenen Reihen: Die Grünen im Bezirksparlament fordern den Rücktritt ihres Parteifreunds. Der Beschluss sei „nach langen und intensiven Beratungen“ in einer Sondersitzung gefasst worden, teilte die Fraktion am Dienstag mit. Zuvor hatte der „Tagesspiegel“ berichtet. Sollte von Dassel nicht zurücktreten, will die Fraktion ihrer Erklärung zufolge einen Abwahlantrag stellen.
Auch die Grüne Jugend Berlin forderte den Rücktritt des Politikers. „Bei Ämterkauf, Klüngelei & Bestechung braucht es keine unabhängige Untersuchung, sondern den sofortigen Rücktritt“, twitterte der Grünen-Nachwuchs. Sein Verhalten sei untragbar und eines grünen Bezirksbürgermeisters nicht würdig, sagte Shirin Kreße, Beisitzerin im Landesvorstand der Jugendorganisation, der dpa.
Von Dassel wird vorgeworfen, in unzulässiger Weise in ein Verfahren zur Besetzung einer wichtigen Stelle in der Verwaltung des Bezirks eingegriffen zu haben. Im Raum steht nach Medienberichten der Vorwurf, er habe mit Hilfe eines Angebots von mehreren Tausend Euro privatem Geld versucht, einen Rechtsstreit um die Stellenbesetzung mit einem unterlegenen Bewerber abzukürzen, der geklagt hatte. Von Dassel bestritt das Geldangebot, räumte aber Fehler ein.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, das Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister, das von Dassel am Montag selbst beantragt hatte, zügig angehen zu wollen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens sei zwingend, sagte sie am Dienstag. „Weil aufgrund der Unterlagen, die Herr von Dassel uns eingereicht hat, nicht ausgeschlossen werden kann, dass er als Beamter des Landes Berlin gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat.“
Am Montag hatte von Dassels Büro mitgeteilt, dass er die Vorwürfe unabhängig aufarbeiten lassen wolle. Von Dassel verbindet demnach mit dem Disziplinarverfahren die Hoffnung, dass der Sachverhalt neutral untersucht und er vom Verdacht eines Dienstvergehens entlastet wird.
Giffey sagte, es handele sich um ein sehr formalisiertes, gesetzlich geregeltes Disziplinarverfahren. „Wir werden diesen Anforderungen entsprechen“, so die Regierungschefin. „Und es ist selbstverständlich, dass wir das jetzt nicht verzögern wollen, sondern dass dieser Sachverhalt sehr zeitnah, sehr gründlich, aber vor allen Dingen auch unvoreingenommen untersucht werden wird.“
Der Grünen-Kreisvorstand und der Grünen-Fraktionsvorstand im Bezirksparlament erklärten: „Wir wollen in der Sache volle Transparenz und Aufklärung ermöglichen.“ Daher sei das einvernehmliche Vorgehen des Bezirksbürgermeisters und Giffeys bei dem Disziplinarverfahren zu begrüßen.
Über die Rücktrittsaufforderung der Fraktion wollen beide Vorstände der Erklärung zufolge nun mit von Dassel sprechen. Dazu sei auch die SPD eingeladen, mit der die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung eine Zählgemeinschaft bilden, also eine Art Koalition. Von Dassel kommentierte den Fraktionsbeschluss nicht.
Der 1967 geborene Politiker ist seit 2016 Bürgermeister in Mitte, dem mit rund 390 000 Einwohnern zweitgrößten von zwölf Berliner Bezirken. Bei der fraglichen Stellenbesetzung geht es um die Leitung des sogenannten Steuerungsdiensts im Bezirksamt, eine Schlüsselposition. Sie wurde Ende 2021 an einen Lokalpolitiker der Grünen vergeben, den von Dassel kannte. Ein unterlegener Mitbewerber klagte, so dass die Stelle monatelang vakant war. Ende April wurde das Stellenbesetzungsverfahren dann noch einmal neu aufgerollt.
„Berliner Morgenpost“ und „Tagesspiegel“ berichteten am vergangenen Samstag, dass von Dassel zuvor versucht haben soll, den unterlegenen Bewerber mittels einer Geldzahlung notfalls aus seiner Privatschatulle dazu zu bewegen, seine Klage fallenzulassen - damit die Stelle schnell besetzt werden kann. Belegen sollen das SMS-Nachrichten, die der Bürgermeister an den Bewerber verschickt haben soll und die den Zeitungen vorliegen, sowie Äußerungen dieser Person. Unbestätigten Angaben zufolge ging es um drei Monatsgehälter.
„Falsch ist, dass ich irgendjemandem konkret Geld angeboten haben soll“, hatte von Dassel der dpa dazu gesagt. Vielmehr habe er den Bewerber gefragt, ob man das Verfahren in irgendeiner Weise abkürzen könne. „Dazu hat er dann eine Geldforderung gestellt.“ Eine solche außergerichtliche Einigung - auf Twitter nannte von Dassel das einen „öffentlich-rechtlichen Vergleich“ - habe seine Verwaltung aber als nicht möglich eingestuft.
Dann habe er die Person gefragt: „Können wir vielleicht irgendwie privat zusammenkommen?“, schilderte von Dassel die Abläufe aus seiner Sicht. Der Bewerber habe eine abermalige Geldforderung gestellt und er selbst nach nochmaligem Überlegen den Kontakt abgebrochen, so der Bezirksbürgermeister. „Dass ich mal eine private Einigung in den Raum gestellt habe, ist sicherlich ein Fehler gewesen.“