Autozulieferer Continental-Chef: Warum am Ende nur Reifen bleiben
Continental schrumpft zum reinen Reifenhersteller. Konzernchef Nikolai Setzer spricht über den radikalen Umbau, den Verbleib im Dax und seine persönliche Zukunft.

Hannover - Continental baut sich radikal um. Der Dax-Konzern aus Hannover hat seine Autozuliefersparte abgespalten. Das neue Unternehmen Aumovio ist bereits an die Börse gegangen. Nun steht der Verkauf der Kunststofftechniksparte Contitech an. Am Ende soll nur noch das Reifengeschäft bleiben. Konzernchef Nikolai Setzer (54) erklärt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, warum er diesen Kurs für richtig hält.
Frage: Continental war einmal einer der größten Autozulieferer der Welt. Jetzt bleibt am Ende nur noch das Reifengeschäft. Ist das nicht ein Rückschritt?
Antwort: Nein. Reifen sind ein attraktives und stabiles Geschäft mit soliden Ergebnissen, auch in schwierigen Zeiten. Entscheidend ist nicht die Größe des Unternehmens, sondern dass die einzelnen Einheiten in ihrem jeweiligen Bereich erfolgreich sind.
Frage: Wie fühlt sich dieser radikale Umbau an?
Antwort: Wir werden damit mehr Wert schaffen. Daher fühlt es sich gut an. Für uns ist das eine klare Fokussierung und der richtige Zeitpunkt dafür. Die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen werden wir natürlich vermissen.
Frage: Warum haben Sie Aumovio abgespalten, hätten Sie das Geschäft nicht auch selbst weiterentwickeln können?
Antwort: Continental hat Aumovio aufgebaut. Eigenständig wird es sich nun noch besser entwickeln. Das Autogeschäft braucht andere Strukturen, andere Investoren und Geschwindigkeit. Im Konzernverbund wäre dies so nicht vergleichbar umsetzbar.
„Industrieperle“ Contitech vor dem Verkauf
Frage: Als Nächstes steht der Verkauf von Contitech an. Wie weit sind Sie?
Antwort: Der Vertrag über den Verkauf des Contitech-Bereichs „Original Equipment Solutions“ ist unterschrieben. (Anm. d. Red.: Dabei handelt es sich um das Geschäft mit Schläuchen, Dichtungen und Lagerelementen für Autos.) Der Vollzug ist für das erste Quartal 2026 geplant. Danach folgt der verbleibende Teil von Contitech.
Frage: Warum der Verkauf in zwei Teilen?
Antwort: Damit Contitech über 80 Prozent Industrieanteil hat und seine Rolle als Industrieperle voll ausüben kann. Das haben wir seit 2023 vorbereitet.
Frage: Continental wollte einmal Systemanbieter sein und hat dafür massiv Firmen zugekauft. War das im Rückblick ein Irrweg?
Antwort: Nein. Damals war das der richtige strategische Weg. Aber die Automobilwelt hat sich verändert. Viele Hersteller integrieren heute wieder stärker – und erfolgreicher sind spezialisierte Einheiten.
Reifen als Zukunftsmodell
Frage: Reifen allein – reicht das, um im Leitindex Dax zu bleiben?
Antwort: Das wird die Zukunft zeigen. Entwickeln sich die Reifen weiterhin so erfolgreich, gibt es die Chance, im Dax zu bleiben.
Frage: Wenn Sie an 2030 denken, wofür soll Continental dann stehen?
Antwort: Reifen der Spitzenklasse. Wie heute schon. Nur noch besser.
Frage: Macht Sie die Fokussierung auf Reifen selbst zum Übernahmekandidaten?
Antwort: Darüber will ich nicht spekulieren. Aber klar: Wenn wir so stark sind, dass sich andere für uns interessieren, wäre das zunächst eine Bestätigung unseres Erfolgs. Außerdem haben wir mit Schaeffler einen seit langem treuen Ankeraktionär.
Stärker im Ausland
Frage: Planen Sie sogar selbst Zukäufe?
Antwort: Wir beobachten den Markt permanent. Asien ist spannend, da sind wir nicht so breit aufgestellt wie in Europa. Und auch im Spezialreifengeschäft prüfen wir immer wieder Optionen.
Frage: In den USA belasten Zölle Ihr Geschäft. Wie federn Sie das ab?
Antwort: Wir bauen unsere Produktion vor Ort so stark wie möglich aus. Wir haben drei Reifenwerke mit mehr als 8.000 Mitarbeitern in den USA – vielleicht werden es noch ein paar mehr. Wir produzieren viel lokal, manches müssen wir aber importieren.
Frage: Ist es überhaupt möglich, alle Reifen, die Sie in den USA verkaufen, dort herzustellen?
Antwort: Nein. Und es ist auch nicht sinnvoll. Bei gewissen Reifen nutzen wir unser globales Produktionsnetzwerk.
Frage: Wie schnell können Sie die Produktion ausbauen?
Antwort: Das dauert und es ist in einem gewissen Maße begrenzt.
China im Blick
Frage: Chinesische Autobauer wachsen rasant. Warum entwickeln die keine eigenen Reifenmarken?
Antwort: Reifen sind sehr komplex und ein eigenes Geschäft. Es braucht Technologie, Marke, Händlernetz und Lieferkette. Das entsteht nicht über Nacht.
Frage: Und wie positioniert sich Continental in diesem Umfeld?
Antwort: Wir sind bei allen relevanten Playern in der Erstausrüstung vertreten, etwa auch bei BYD. Für sie produzieren wir weitestgehend lokal in China.
Belastungsprobe für Branche
Frage: Die Autoindustrie steckt in einer Dauerkrise. Wie stark trifft das Continental?
Antwort: Das Reifengeschäft hat den Vorteil, dass nur der kleinere Teil direkt in die Erstausrüstung geht und damit von der Fahrzeugproduktion abhängt. Der weit größere Teil hängt am Reifenersatzgeschäft. Für uns zählen also vor allem die gefahrenen Kilometer. Insofern wirkt sich die verringerte Fahrzeugproduktion zwar auch auf uns aus, aber mit einem deutlich abgefederten Effekt.
Frage: Elektroautos verschleißen Reifen schneller. Ist das für Sie eher Risiko oder Chance?
Antwort: Rein physikalisch heißen mehr Gewicht und mehr Drehmoment auch mehr Abrieb. Gleichzeitig müssen die Reifen sehr sicher sein und einen möglichst guten Rollwiderstand haben, weil der die Reichweite beeinflusst. Es braucht deshalb Technologiesprünge und das ist gut für technologische Player wie uns.
„Bis zum letzten Tag Continental“
Frage: Sie haben angekündigt, nach dem Verkauf von Contitech im kommenden Jahr die Verantwortung abzugeben. Bleibt es dabei?
Antwort: Es ist richtig, dass ich meine Verantwortung nach erfolgreicher Neuaufstellung von Continental weitergeben werde. Wann dafür der passende Zeitpunkt ist, wird sich zeigen.
Frage: Haben Sie schon Pläne, was Sie danach machen?
Antwort: Nein. Bis zum letzten Tag Continental – mit Herz und Seele. Und dann schauen wir mal.