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Tod im Pflegebett „Erlösung“ oder Mord? 85-Jähriger soll Ehefrau getötet haben

Jahrzehnte sind sie verheiratet, haben Kinder, erleiden Schicksalsschläge. Dann wird die Frau zum Pflegefall und es kommt zur folgenschweren Tat, für die sich der Ehemann nun verantworten muss.

Von dpa 08.05.2025, 13:37
Ein heute 85 Jahre alter Mann soll vor drei Jahren seine 82-jährige pflegebedürftige Ehefrau getötet haben - nun ist der Mann am Landgericht Mühlhausen wegen Mordes angeklagt.
Ein heute 85 Jahre alter Mann soll vor drei Jahren seine 82-jährige pflegebedürftige Ehefrau getötet haben - nun ist der Mann am Landgericht Mühlhausen wegen Mordes angeklagt. Michael Reichel/dpa

Mühlhausen - Ein letzter Kuss auf die Lippen, dann will er zugedrückt haben: So beschreibt ein 85-jähriger Mann vor Gericht den Moment, in dem er seine pflegebedürftige Ehefrau im gemeinsamen Schlafzimmer mit einem Kissen erstickt hat. 

Angeklagt ist der Senior am Landgericht Mühlhausen wegen Mordes. Zu Prozessbeginn räumte er die Tat grundsätzlich ein. Er erklärte, er habe seine 82-jährige chronisch kranke Ehefrau von „ihren Qualen erlösen“ wollen. „Ich wollte sie befreien von diesen Umständen. Es war nicht mehr würdig“, sagte der Mann. Die Situation, dass er vor allem nachts allein für die Pflege seiner Frau verantwortlich gewesen sei, habe ihn stark belastet.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Ehefrau heimtückisch getötet zu haben. Er soll in einer Januarnacht 2022 im gemeinsamen Haus im Unstrut-Hainich-Kreis im Schlafzimmer ein Kissen auf das Gesicht der zunächst schlafenden Frau gedrückt haben. Obwohl diese dann wach geworden sei und sich gewehrt habe, soll er sie erstickt haben. 

Verurteilung wegen Mordes auch mit Geständnis nicht sicher

Ob es tatsächlich zu einer Verurteilung wegen Mordes kommt, ist auch mit dem Geständnis nicht klar. So ist nach einem entsprechenden Hinweis etwa auch eine Verurteilung wegen versuchter Tötung auf Verlangen und Totschlags möglich. Vier weiter Verhandlungstermine bis Anfang Juni sind angesetzt.

Bei der Anklageverlesung verwies auch die Staatsanwältin darauf, dass die Ehefrau schon lange Schmerzen und eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung gehabt habe. Zudem habe sich ihr Zustand einige Zeit vor der Tat weiter verschlechtert. Der Angeklagte habe sie überwiegend allein betreut, was ihn physisch und psychisch belastete.

Angeklagter äußert sich ausführlich 

Aufgeräumt und unaufgeregt schilderte der Angeklagte, wie es zur Tat kam, aber auch Details aus den mehr als 60 Jahren Ehe. Er berichtete von schönen Erlebnissen mit seiner Frau, und von Schicksalsschlägen, als zwei ihrer Kinder bei Unfällen ums Leben kamen. Zuletzt habe seine Frau das Bett kaum noch verlassen können. Besuchern gegenüber habe sie öfter gesagt, sie wolle „lieber heute als morgen sterben“. 

Mit der Aussicht, dass sich ihre Lage der Erkrankung wegen verschlechtere, habe er sich immer wieder auch mit dem Gedanken getragen, die Frau und sich selbst zu töten, so der Angeklagte. In der Tatnacht sei der Entschluss aber plötzlich über ihn gekommen. Wie aus dem Nichts sei der Gedanken an sein Kissen gekommen. Er sei damit aus seinem Pflegebett aufgestanden und zu dem seiner Frau gegangen, dann habe er das Kissen auf sie gelegt. 

Letzte Küsse und ein Anruf bei der Polizei

Dabei sei sie zunächst wachgeworden, habe gerufen, was das solle. Dann habe er das Kissen noch einmal weggenommen und ihr gesagt: „Ich tue es für uns, ich tue es für dich, ich will dich erlösen.“ Daraufhin habe er sie auf die Lippen und die Stirn geküsst. Dann habe er das Kissen nachhaltig lang auf ihr Gesicht gepresst. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass sich die Frau stark gewehrt habe, so der Angeklagte. Als sie tot war, habe er minutenlang geheult. Dann habe er selbst die Polizei angerufen.