Migration Erstorientierungskurse auf der Kippe? Bedarf angemeldet
In Niedersachsen melden Träger und Kommunen einen hohen Bedarf an Erstorientierungskursen für Geflüchtete an. Dafür fließe aber nicht ausreichend Geld vom Bund, kritisiert die zuständige Zentralstelle. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerspricht.
Hannover - Die Gelder für Erstorientierungskurse für Geflüchtete reichen in diesem Jahr in Niedersachsen nach Angaben der zuständigen Zentralstelle nicht aus, um den großen Bedarf zu decken. „Damit müssen geflüchtete Menschen weiterhin auf Angebote zur Integration warten“, teilte der Geschäftsführer der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung, Martin Dust, auf Anfrage mit. Außerdem gehen so nach seinen Worten Strukturen und Arbeitsplätze bei den Trägern verloren.
Die Kurse richten sich an Asylbewerber mit unklarer Bleibeperspektive und seit Kriegsausbruch im Frühjahr 2022 auch an Menschen aus der Ukraine. Mit dem Angebot sollen wesentliche Informationen über das Leben in Deutschland vermittelt werden, außerdem sollen die Teilnehmer sich in alltäglichen Situationen sowie in ihrem sozialen Umfeld besser orientieren können.
Die Zentralstelle Erstorientierungskurse ist in Niedersachsen bei der Bildungsagentur angesiedelt. Eine Abfrage bei den Trägern habe einen Bedarf von 280 Erstorientierungskursen für 2023 ergeben. Dementsprechend sei beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein Antrag in Höhe von 5,9 Millionen Euro gestellt worden, teilte Agenturchef Dust mit. Dort sei allerdings auf 103 Kurse und damit 2,1 Millionen Euro gekürzt worden.
Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums, die Mittel auf das Niveau von Anfang 2021 zurückzusetzen, werde von der Zentralstelle in Niedersachsen bedauert, sagte Dust. Die Nachfrage ist ihm zufolge weiterhin nicht abgerissen. Interessierte Träger und Kommunen könnten aufgrund der hohen Nachfrage durch geflüchtete Menschen sofort Kurse durchführen, sagte Dust.
„Ab Mitte des Jahres gehen bei vielen Erstorientierungskursen die Lichter aus, weil die Mittel für das laufende Jahr nicht ausreichen“, sagte auch der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Linke) aus Niedersachsen. Er sieht ein doppelt fatales Zeichen: Ohne die Orientierungskurse werde vielen Geflüchteten schon der erste Schritt zur Integration blockiert. Zudem müssten viele Träger bereits Lehrkräfte entlassen, die als Fachkräfte dringend gesucht seien.
Das Bundesamt in Nürnberg widerspricht auf Anfrage. Bundesweit seien die gebilligten Mittel für die Kurse sogar von rund 21,9 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 25,1 Millionen Euro für 2023 gestiegen. Im vergangenen Jahr seien aber auch ursprünglich für Integrationskurse gedachte Gelder verwendet worden. Außerdem sei zusätzliches Geld nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geflossen.
Nur damit war es dem Bundesamt zufolge möglich, Erstorientierungskurse in einem größeren Umfang anzubieten. Aktuell werde nur die ursprüngliche Finanzplanung fortgeschrieben. „Es handelt sich folglich nicht um eine Mittelkürzung“, teilte das Bundesamt mit.
Untersuchungen hätten deutlich gezeigt, dass Geflüchtete aus der Ukraine beispielsweise zu der mit am besten qualifizierten Gruppe von Zugewanderten gehörten. Für einen weit überwiegenden Teil sind aus Sicht des Bundesamtes deshalb Integrationskurse passender. Diese seien für alle Menschen, die nach Deutschland kämen, der beste Einstieg für eine schnelle Integration.
Allerdings wurde die Mittelzuteilung zuletzt auch aus den Reihen der Integrationsministerkonferenz kritisiert. Die Zuwanderung im letzten Jahr und die Entwicklung in diesem Jahr würden nicht berücksichtigt, sagte der hessische Minister für Soziales und Integration, Kai Klose (Grüne), als Vorsitzender der Konferenz im März. Er fordert den Bund auf, die Mittel für Erstorientierungskurse für Geflüchtete zeitnah deutlich zu erhöhen.