Vor Rügen bergen Militärtaucher einen Sturzkampfbomber aus dem Zweiten Weltkrieg Flugzeugwrack am Meeresgrund entdeckt
Auf dem Grund der Ostsee liegt seit rund 70 Jahren das Wrack eines Sturzkampfbombers. Das Militärhistorische Museum Dresden lässt die JU 87 nun vor Rügen bergen. Über das Schicksal der Piloten kann bisher nur spekuliert werden.
Sassnitz (dapd) l Stück für Stück holen Taucher Wrackteile eines im Zweiten Weltkrieg vor Rügen verunglückten Sturzkampffliegers aus der Ostsee. Aus den bisher fast 100 gefunden Wrackteilen bildet sich langsam die Form der alten JU 87 heraus. Erstmals hat ein Pioniertaucher der Bundeswehr einen persönlichen Gegenstand der Besatzung geborgen. Dabei handle es sich um ein sogenanntes Klappmesser, wie es noch heute zur persönlichen Ausrüstung von Piloten und Fallschirmspringern gehöre, sagte Cheftaucher Lutz Wendt. Das Messer, das mehr als 60 Jahre in 18 Metern Tiefe auf dem Ostseegrund gelegen habe, sei noch relativ gut erhalten. Sein Fund sei ein Indiz dafür, dass die Besatzung seinerzeit beim Absturz ums Leben gekommen sei, sagte Wendt.
Geborgen wurden ferner etwa 20 größere Trümmer, darunter Reste eines Höhenleitwerks mit Höhenruderflosse sowie Teile einer völlig zerstörten Tragfläche. Aufschluss über das Schicksal des Sturzkampfbombers (Stuka) vom Typ Junkers 87-G- könnte der bereits am Sonnabend geborgene, aber noch von betonhartem Schlick überzogene Zwölf-Zylinder-Flugzeugmotor geben. Anhand der eingestanzten Seriennummer könnte man möglicherweise Rückschlüsse auf das Geschwader der Maschine, die Besatzung und ihren Auftrag erhalten, sagte Wendt.
Waffenlose Maschine gibt Rätsel über Absturzursache auf
Unterdessen rätseln die Bergungsspezialisten über die Absturzursache. Bislang seien weder Einschusslöcher noch Bomben oder Munition gefunden worden, sagte Sebastian Bangert, Sprecher des Militärhistorischen Museums Dresden, das die Maschine restaurieren will. Der hölzerne Propeller sei regelrecht abrasiert worden, was darauf deute, dass die tonnenschwere Maschine seinerzeit mit voller Wucht auf die Wasserfläche aufgeschlagen sei. Einiges deute darauf hin, dass die Landeklappen ausgefahren waren, der Pilot also möglicherweise nur zehn Kilometer von Sassnitz entfernt notwassern wollte.
Die Technik des Bombers, der während des Spanischen Bürgerkrieges und im Zweiten Weltkrieg europaweit Schrecken verbreitete, soll dabei eher zweitrangig sein. "Wir sind kein Technik-, sondern ein Geschichtsmuseum", sagt Bangert. Der Kampfflieger JU 87, von dem zwischen 1943 und 1944 etwa 200 Stück produziert wurden, solle in der Ausstellung der Museumsaußenstelle Berlin gezeigt werden. Bisher gibt es mit Chicago und London weltweit nur zwei Museen, die einen vollständigen Sturzkampfflieger zeigen. Ausgerüstet mit einer speziellen Sirene erzeugte der Bomber im Sturzflug kurz vor dem Abwurf seiner tödlichen Fracht einen ohrenbetäubenden Heulton.
Unklar ist bislang auch, wa-rum die Maschine offenbar nicht mit der typischen Bewaffnung wie dem üblichen Zwillings-Maschinengewehr MG 81 bestückt war. Möglicherweise habe es sich seinerzeit lediglich um einen Überführungsflug gehandelt, sagte Bangert. Eine andere These gehe davon aus, dass die Besatzung mit der waffenlosen Maschine kurz vor der Kapitulation Deutschlands 1945 auf dem Rückflug aus den besetzten Gebieten und wegen Treibstoffmangels abgestürzt war.
Die Maschine soll bis morgen komplett freigespült und geborgen werden. Inzwischen melden sich immer mehr Angehörige von vermissten Stuka-Piloten. Ein 93-jähriger Mann aus Klein Nordende sagte, bei dem Piloten könne es sich möglicherweise um seinen Bruder handeln, der seit März 1945 vermisst wird und als Stuka-Pilot bei Stettinstationiert war.
Auch beim Museum gingen inzwischen Mails von Angehörigen vermisster Piloten ein. "Wir sind für jeden Hinweis dankbar", sagte Bangert. Ziel sei es, mit der Aufklärung der historischen Umstände auch das Schicksal und Identität der Besatzung zu klären. Bis auf ein Messer wurden aber keine persönlichen Gegenstände entdeckt.