Bauern & Mühlen Gelbweizen & Co: Alte Getreidesorten kehren zurück
Brot aus Champagnerroggen, Gebäck aus Gelbweizen: Alte Getreidesorten versprechen mehr Vielfalt auf dem Teller. So setzen einige Bauern in Sachsen auf solche alten Sorten. Schaffen sie ein Comeback?

Grünhainichen - Die Walzenstühle der Rolle-Mühle arbeiten auf Hochtouren, der Boden vibriert. In mehreren Durchgängen wird gerade Weizen zu frischem Mehl verarbeitet - rund 50 Tonnen am Tag. „Mit Wasserkraft vermahlen wir Weizen, Dinkel und Roggen“, erzählt Anne Rolle-Baldauf, die die Mühle zusammen mit ihrem Bruder Frank führt. Dabei setzt der Familienbetrieb auch auf Sorten, die hierzulande kaum noch auf Feldern zu finden sind: Champagner- und Waldstaudenroggen etwa und Gelbweizen.
„Wir wollen keine Nullachtfünfzehn-Mehle. Das können große Betriebe besser und günstiger“, konstatiert Rolle-Baldauf. Das Gros der Produktion sind Biomehle. Und um sich von anderen abzuheben, hat der Familienbetrieb auch alte Getreidesorten für sich entdeckt. „Das ist eine Nische“, räumt die studierte Ernährungswissenschaftlerin ein. Für Handwerksbäcker ermöglichten sie aber, sich von Ketten und Supermärkten abzuheben. Die Mehle werden auch außerhalb Sachsens vertrieben. „Wir haben eine große Fangruppe in Berlin. Dort sind viele Bäcker heiß auf unsere Spezialmehle.“
Alte Getreidesorten finden Weg zurück auf die Felder
Alte Obstsorten reüssieren wegen ihrer Geschmacksvielfalt seit etlichen Jahren in den Kleingärten. Auch bei Getreide gab es einst eine Vielzahl regionaler Sorten. Auf den Feldern dominieren aber wegen des höheren Ertrags heute vor allem moderne Züchtungen. Einige Bauern sehen in historischen Sorten aber durchaus Vorzüge.
Dazu gehört Axel Heinze, Biolandwirt aus Oschatz. Etwa 30 Hektar Weizen baue er auf seinen Feldern an, davon seit einigen Jahren jeweils 5 bis 8 Hektar Gelbweizen, erzählt er. Diese alte Sorte enthält Carotinoide, die Backwaren eine gelbe Färbung verleihen - auch ohne Zugabe von Eiern. Zwar liege der Ertrag unter dem von normalem Weizen. Von der Mühle erhalte er dafür aber einen Aufschlag. Heinze sieht für die Zukunft Potenzial für alte Getreidesorten. Dazu verweist er auf das Beispiel Dinkel - eine alte Getreideart, die seit etlichen Jahren eine Renaissance erlebt.
Mehrjähriger Roggen: ein Korn trotzt der Zeit
Wie der Gelbweizen bringen einige alte Sorten besondere Eigenschaften mit. So ist etwa der Waldstaudenroggen mehrjährig. Bauern können sich so die Arbeit weiterer Aussaaten sparen. Und er gedeiht auch auf kargen Böden, wie sie im Erzgebirge zu finden sind.
Auf dieses Getreide setzt Bäckermeister Markus Hertel aus Mildenau. Er hat dazu ein spezielles Vollkornbrötchen kreiert und voriges Jahr im Wettbewerb „So schmeckt Kulturregion“ zum Kulturhauptstadtjahr 2025 überzeugt. Für die Nutzung alter Getreidearten gebe es viele gute Gründe, zählte der Bäcker auf: „Eine jahrtausendealte Tradition, mehr Vielfalt auf den Feldern, ernährungsphysiologische Vorteile, der besondere Geschmack, Exklusivität, Naturbelassenheit, Resistenzen gegen Krankheiten und die nachhaltige Erzeugung.“
Bauern, die sich auf alte oder seltene Sorten besinnen, werden vom Land finanziell unterstützt. Laut Agrarministerium gibt es seit 2023 eine spezielle Förderung. Landwirte erhalten dabei einen jährlichen Zuschuss von 120 Euro je Hektar. Dabei geht es nicht nur um Getreide, sondern auch um historische Kartoffelsorten wie Ackersegen und Bamberger Hörnchen oder Feldfrüchte wie Leindotter und Buchweizen.
Alte Getreidearten: Nische mit Zukunft?
Ziel sei es, genetische Ressourcen für künftige Generationen zu erhalten, heißt es beim Agrarministerium. Sie könnten helfen, neue Sorten zu züchten, die regional besser angepasst und klimaresistenter seien. Auch böten sie regionalen Vermarktern die Möglichkeit, mit besonderen Produkten dem Wettbewerbsdruck im Handel zu begegnen.
Ein anderer wichtiger Vorteil sei, dass diese Pflanzen weniger Dünger und Pflanzenschutz brauchten. Damit könne der Anbau in Kombination mit dem Öko-Landbau auch einen Beitrag zu Schutz und Erhalt der Biodiversität in der agrarisch genutzten Kulturlandschaft leisten, so das Ministerium.
Auf Sachsens Feldern sind solche alten Sorten dennoch rar. 2023 hätten 10 Betriebe mit einer Fläche von 431 Hektar von der Förderung profitiert, im vergangenen Jahr seien es 15 Betriebe mit 460 Hektar gewesen. Inwieweit darüber hinaus Bauern im Freistaat alte Sorten auf ihren Feldern anbauen, werde nicht erhoben - auch nicht der Anbauumfang einzelner Sorten und Kulturen, heißt es. Insgesamt bewirtschaften Sachsens Bauern rund 700.000 Hektar Ackerfläche.
Verein macht altes Saatgut verfügbar
Doch wie kommen Bauern überhaupt noch an solches Saatgut? Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen (VERN) in Brandenburg baut seit vielen Jahren in Gendatenbanken erhaltenes Saatgut an, um es zu testen, zu vermehren und an Landwirte abzugeben. Dabei seien auch knapp 1.000 Getreidesorten verschiedener Herkünfte geprüft worden, erklärt Vorstand Rudi Vögel.
Im Ergebnis seien inzwischen rund 100 historische Sorten so verfügbar, dass Saatgut an Bauern verteilt werden könne. Die Mitglieder - rund 150 Bauern in Deutschland und den Nachbarländern - arbeiteten daran, die jeweiligen Sorten bei sich zu pflegen und zu erhalten.
Bei der Auswahl müssten sich auch die alten Sorten unter modernen Anbaubedingungen bewähren, betont Vögel. „Unter bestimmten Standort- und Betriebsverhältnissen sind sie durchaus konkurrenzfähig.“