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Agrarpolitik Große Bauernproteste auch in Thüringen: Schulen betroffen

Aufgerufen wurde zum Protest gegen die Agrarpolitik der Ampelregierung. In Erfurt hielten aber längst nicht nur wütende Bauern ihre Plakate hoch. Auswirkungen hatte der Protest in ganz Thüringen.

Von dpa Aktualisiert: 08.01.2024, 22:47
Landwirte fahren mit ihren Traktoren über die Bundesstraße 7.
Landwirte fahren mit ihren Traktoren über die Bundesstraße 7. Bodo Schackow/dpa

Erfurt - Fast 4000 Fahrzeuge landesweit, erhebliche Verkehrsbehinderungen und Tausende bei Kundgebungen in Erfurt und anderen Orten: Dem Aufruf zum Bauernprotest sind in Thüringen bei frostigen Temperaturen viele Menschen gefolgt.

Verkehr eingeschränkt und Unterrichtsausfälle

In ganz Thüringen seien etwa 3780 Traktoren und andere Fahrzeuge bei den Aktionen im Einsatz gewesen, teilte die Polizei mit. Mehrere Tausend Menschen waren demnach zum Demonstrieren auf den Straßen. Starke Verkehrsbehinderungen auch durch Blockaden seien die Folge gewesen. Auch der Schülerverkehr sei teils erheblich eingeschränkt worden, hieß es aus dem Bildungsministerium. An 16 Thüringer Schulen ist wegen der Bauernproteste den Angaben zufolge der Unterricht komplett ausgefallen - am Montag war Schulbeginn nach den Weihnachtsferien.

Buh-Rufe für Ramelow, Henkersknoten für Ampel

Allein nach Erfurt waren nach Polizeiangaben Teilnehmer mit 2000 Traktoren und andere Zugmaschinen zu einer zentralen Kundgebung gekommen. Etwa 4500 Menschen versammelten sich dafür auf dem gesperrten Juri-Gagarin-Ring. Die Stimmung bei der Kundgebung war teils aufgeheizt. Immer wieder wurde Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit lauten Pfiffen und Zwischenrufen unterbrochen. Auch ein Appell des Thüringer Bauernpräsidenten Klaus Wagner, sich gegenseitig zuzuhören, zeigte kaum Wirkung. Ramelow betonte in seiner Rede die Bedeutung der Landwirtschaft für Deutschland, während ihm laut „Buh! Hau ab!“, „Lügner“ und „Volksverräter“ entgegengerufen wurde.

Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) kritisierte: „Das Niederbrüllen vom Ministerpräsidenten gehört ebenso wenig zur demokratischen Auseinandersetzung wie rechte Gruppen, die den Protest für ihre Zwecke ausnutzen wollen.“

Unter den Teilnehmenden der Kundgebung waren nicht nur Bauern, Spediteure und Vertreter anderer Wirtschaftszweige, die mit der Landwirtschaft arbeiten. Eine Fahne der im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2022 erwähnten Gruppierung „Freies Thüringen“ war zu sehen, andere Teilnehmer gaben sich mit Buttons als „Montagsspaziergänger“ zu erkennen. An einem Henkersknoten hing eine gebastelte Ampel mit dem Schriftzug „Die Ampel muss weg“.

Andere hielten Deutschland-Fahnen hoch, auf denen Bananen abgebildet waren. Auf weiteren Schildern war zu lesen: „Wenn der Bauer steht am Strand, kommt der Habeck nicht ans Land.“ Landwirte hatten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche am Verlassen einer Fähre gehindert. Die Aktion wurde sehr kritisiert.

Schon zuvor hatte es Warnungen gegeben, dass die Bauernproteste unterwandert werden könnten. Auch Thüringens Bauernpräsident Wagner hatte im Vorfeld Bedenken geäußert, dass die Vereinnahmung die eigentlichen Anliegen der Bauern medial überschatten könnte. In seiner Rede bei der Kundgebung wiederholte Wagner die Forderung, Agrarhilfen für die Landwirtschaft nicht zu kürzen und Bürokratie für Fördergeldanträge abzubauen. Er kündigte an, dass Kreisbauernverbände die Woche über weitere Protestaktionen geplant hätten.

Kundgebungen friedlich, andernorts sogar Verletzte

Ausschreitungen habe es nicht gegeben, die Kundgebung in Erfurt sei trotz Zwischenrufen friedlich verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin nach Ende Veranstaltung. Die Teilnehmer hätten Rücksicht genommen und etwa Rettungswagen Platz gemacht sowie Kreuzungen frei gehalten. Auch eine Versammlung am Abend in Gera unter dem Motto „Aus Solidarität mit der Landwirtschaft, dem Handwerk und dem Volk“ mit mindestens 3000 Menschen verlief laut Polizei störungsfrei; ebenso Versammlungen in Altenburg mit etwa 950 Teilnehmern, in Schmölln mit rund 190 Menschen und in Zeulenroda-Triebes mit rund 235 Teilnehmern.

Andernorts in Thüringen kam es im Zusammenhang mit den Protesten aber zu Zwischenfällen: In Heiligenstadt im Eichsfeld fuhr ein Autofahrer laut Polizei einen Versammlungsteilnehmer an und verletzte diesen. Der Demonstrant griff daraufhin den Fahrer an, der ebenfalls leicht verletzt wurde. In Jena sei eine nicht angemeldete Straßenblockade als Nötigung gewertet worden, nachdem die Teilnehmer auch nach Aufforderung des Ordnungsamts die Straße nicht geräumt hatten. In Suhl luden Unbekannte Mist vor den Wahlkreisbüros von Linke, Grüne, SPD und FDP an den Eingangsbereichen ab.