Urteil Karlsruhe: Eilantrag gegen Wiederholungswahl ohne Erfolg
Das Bundesverfassungsgericht begründet, warum es einen Eilantrag gegen die Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus zurückgewiesen hat. Aus der Landespolitik ist Erleichterung zu hören.
Karlsruhe/Berlin - Schon Ende Januar hatte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen die Wiederholungswahl in Berlin abgelehnt, am Mittwoch lieferten die Richterinnen und Richter die Begründung nach. Der Eilantrag habe keinen Erfolg, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig sei.
Das Grundgesetz gewährleiste Bund und Ländern eigenständige Verfassungsbereiche, die auch das Wahlrecht umfassten, teilte das Gericht in Karlsruhe mit. Vor diesem Hintergrund sei für eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht gegen landesverfassungsgerichtliche Wahlprüfungsentscheidungen in der Regel kein Raum. „Das Bundesverfassungsgericht ist nach der föderalen Ordnung des Grundgesetzes keine zweite Instanz über den Landesverfassungsgerichten, die berufen ist, deren Urteile durchgängig und in vollem Umfang nachzuprüfen.“
Eine Entscheidung in der Hauptsache zu der Verfassungsbeschwerde ist noch nicht gefallen. Es erscheint nun allerdings als unwahrscheinlich, dass sie erfolgreich sein wird.
„Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner heutigen Begründung klar, dass es keine eigene Zuständigkeit im Berliner Wahlprüfungsverfahren hat. Es ist gut, dass Berlin keine weitere Zitterpartie zu befürchten hat“, teilten die Vorsitzenden der Berliner Grünen, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, mit. „Wir nehmen unsere Aufgabe einer konstruktiven und kritischen Opposition an.“
Berlins CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Wiederholungswahl sei nach den schweren systemischen Mängeln erforderlich und richtig gewesen. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts für die Ablehnung des Eilantrages schaffe wieder ein Stück mehr Rechtssicherheit.
Die Beschwerdeführer Bertram von Boxberg (Grüne), Stefan Förster (FDP), Jan Lehmann (SPD) und Sebastian Schlüsselburg (Linke) haben das Bundesverfassungsgericht dagegen kritisiert: Es treffe nicht zu, dass die Beschwerdeführer letztlich die endgültige Verhinderung einer Wiederholungswahl als Ziel gehabt hätten. Sie hätten die Prüfung massiver Wahlfehler verlangt und dass es nur dort zur Wiederholungswahl komme, wo sich die Wahlfehler auf die Sitzverteilung im Parlament ausgewirkt hätten.
Außerdem lasse das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der Berliner Verfassungsgerichtshof die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt habe. „Ungeachtet der Gefahren, die sich daraus für künftige Wahlen in deutschen Bundesländern ergeben, hat sich das Bundesverfassungsgericht aus einer Prüfung von Landtagswahlen nun vollständig und endgültig verabschiedet“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Es sei darüber hinaus bemerkenswert, dass das Bundesverfassungsgericht auf 57 Seiten begründen müsse, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei.
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Eilantrag zunächst ohne Begründung abgelehnt. Mit ihrer Entscheidung hatten die Karlsruher Richter ermöglicht, dass die Wiederholung der Wahl in Berlin am 12. Februar wie geplant stattfinden konnte.
Die Wiederholungswahl war aus Sicht des Berliner Landesverfassungsgerichtshofs nötig geworden, weil es beim ursprünglichen Wahltermin im September 2021 zahlreiche Pannen und „schwere systemische Mängel“ gegeben hatte.
Als Beispiele für Wahlfehler nannte das Gericht bei der Urteilsverkündung im November falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor, mit Wartezeiten von mitunter mehreren Stunden. Die Pannen-Wahl, die bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, war nach Einschätzung des Landesverfassungsgerichts ungültig und damit komplett zu wiederholen.
Der Berliner Senat und die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) versicherten anschließend, die Entscheidung zu akzeptieren. Allerdings wandten sich mehr als 40 Klägerinnen und Kläger, darunter betroffene Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Bezirksparlamente, gegen das Urteil. Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, dass die Berliner Richter sich eigenmächtig über die Karlsruher Grundsätze der Wahlprüfung hinweggesetzt hätten.
Bei der Wiederholungswahl wurde schließlich die CDU Wahlsieger. Die SPD landete mit fast zehn Prozentpunkten Abstand und nur mit sehr knappem Vorsprung vor den Grünen auf Platz zwei. Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen nach der Wahl hatten schließlich einen Regierungswechsel von Rot-Grün-Rot zu Schwarz-Rot zur Folge - Grüne und Linke landeten in der Opposition. Die FDP ist im Landesparlament gar nicht mehr vertreten.