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Migration Kommunen: Geld vom Bund reicht für jeden zweiten Flüchtling

„Gescheitert“, „zu wenig“, „kein großer Wurf“: Niedersachsens Städte und Gemeinden sowie die Opposition im Landtag reagieren enttäuscht auf den Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern. Sie haben klare Vorstellungen, was bei der Finanzierung anders laufen sollte.

Von dpa 11.05.2023, 11:12

Hannover - Die Kommunen in Niedersachsen halten die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern für unzureichend. Der Städte- und Gemeindebund (NSGB) erklärte den Gipfel am Donnerstag gar für „gescheitert“. NSGB-Präsident Marco Trips sagte: „Erwartet werden je nach Schätzung 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge für Niedersachsen. Das Geld reicht aber höchstens für die Hälfte. Der Bund lässt die Länder hängen und die Kommunen im Stich.“

Der Bund hatte nach stundenlangen Beratungen am Mittwoch zugesagt, den 16 Ländern für 2023 insgesamt eine Milliarde Euro zusätzlich für die Versorgung der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Die Frage nach einer dauerhaft anderen Systematik der Kostenaufteilung wurde jedoch vertagt. Die Länder hatten stellvertretend für die Kommunen auf ein System gedrungen, das sich an der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten orientiert. Neben einer Pro-Kopf-Pauschale solle dazu etwa eine vollständige Erstattung der Kosten der Unterkunft gehören.

Der Präsident des Niedersächsischen Städtetags (NST), Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel, sagte, der Bund wolle die angespannte Lage der Kommunen nicht wahrhaben. „Es kann doch nicht sein, dass wir im Halbjahresrhythmus nach Berlin kriechen müssen, um der Bundesregierung die Lage vor Ort zu erklären“, sagte der CDU-Politiker. „Nur, weil der hohe Zuwanderungsdruck aus der Ukraine nachgelassen hat und die zu uns geflüchteten Menschen ein Dach, ein Bett und Essen haben, sind die Aufgaben doch nicht gelöst.“ Die zentrale Forderung der Städte sei, dass die Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration dauerhaft geregelt wird.

Der Präsident der Region Hannover, Steffen Krach (SPD), sagte: „Was in Berlin beschlossen wurde, ist kein großer Wurf.“ Es brauche Planungssicherheit, um nachhaltige Strukturen aufbauen zu können. „Der Dauerzustand, dass Kommunen quasi über Nacht Unterbringungsmöglichkeiten oder Integrationskurse schaffen müssen, muss beendet werden.“ Zu schaffen sei das aber nur mit festen Strukturen, die die Kommunen entlasten, betonte Krach.

Der Oppositionsführer im Landtag, CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner, kritisierte die Beschlüsse ebenfalls als „zu wenig“ und rief die Landesregierung dazu auf, zumindest das zusätzliche Geld vom Bund komplett an die Kommunen weiterzureichen. Das sei nötig, damit die Städte und Gemeinden die Integration der Flüchtlinge und die Digitalisierung der Ausländerbehörden voranbringen können. „Wer die Kommunen und die Hilferufe der Oberbürgermeister hört, der weiß, dass dort wirklich Not am Mann ist“, sagte Lechner.

Ministerpräsident Stephan Weil hatte am Mittwochabend nach der Bund-Länder-Runde gesagt, der Beschluss sei besser als er es noch vor ein oder zwei Tagen für möglich gehalten habe. Der SPD-Politiker betonte allerdings auch, dass aus Sicht der Länder noch weitere Finanzierungsfragen zu klären sind. „Die Diskussion ist eben nicht zu Ende, sondern sie wird sehr vertieft fortgesetzt werden“, sagte Weil. Nach den Beratungen in Berlin sei er aber zuversichtlich, zu weiteren Ergebnissen zu kommen. Die Grundsatzentscheidung über die künftige Flüchtlingsfinanzierung soll erst im November fallen.

Weils Stellvertreterin, Kultusministerin Julia Willie Hamburg, erklärte in einer Stellungnahme, die Ampelkoalition im Bund müsse beim Umbau Deutschlands zum Einwanderungsland noch eine Menge voranbringen. „Ein stärkerer Fokus auf die Integration der Menschen würde auch die Kommunen konkret entlasten“, sagte die Grünen-Politikerin. Dass der Bund vornehmlich auf Verschärfungen im Bereich der Rückführung setze, sei ein „falsches Signal“.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisierte, die migrationspolitischen Erklärungen von Bund und Ländern stellten eine Diskursverschiebung nach rechts dar. „Am Ende dieses Prozesses wird man Flüchtlingen den Zugang zu einem Asylverfahren in Europa ganz verweigern mit dem Hinweis, sie hätten in zweifelhaften Drittstaaten schon Schutz gefunden oder finden können“, warnte der Verein.

Auch die Sprecherin der Grünen Jugend in Niedersachsen, Pia Scholten, kritisierte die Pläne als inakzeptabel. „Die Verschärfung des Asylrechts darf aus Niedersachsen nicht mitgetragen werden“, appellierte Scholten an Ministerpräsident Weil.