Berlin 2035 Krach räumt Fehler ein – SPD setzt auf Thema Wohnungsmangel
Steffen Krach gesteht Versäumnisse der SPD ein. Wie die Partei bis 2035 den Wohnungsmangel in Berlin beseitigen will – und was ihr Zukunftsprogramm sonst noch vorsieht.

Berlin - Es läuft vieles nicht rund in Berlin. Das sieht auch Steffen Krach so, der die SPD nach dem Willen des Landesvorstands in die nächste Abgeordnetenhauswahl führen soll. Die Landes-SPD will nach vorn schauen und hat ihr Zukunftsprogramm für Berlin im Jahr 2035 vorgestellt.
Krach sieht erheblichen Handlungsbedarf in vielen Bereichen, wie bei der Wohnungsbau- und Mietenpolitik, und hat Fehler seiner Partei eingeräumt. „Wir haben zum Beispiel den Wohnungsmarkt unterschätzt, die Brisanz, die dahintersteckt“, sagte Krach bei der SPD-Veranstaltung in Schöneberg.
Das gelte auch für die Privatisierung in den 90er Jahren. Damals hatte der SPD-geführte Senat zehntausende Wohnungen aus Landeseigentum verkauft. „Wir sind dabei, diese Fehler anzuerkennen“, sagte Krach.
Der Wohnungsmangel sei das Thema, das die Menschen gerade bewege. „Es ist die große soziale Frage. Da haben wir möglicherweise Versäumnisse“, sagte Krach. „Wir haben es nicht ausreichend in den Griff bekommen.“ Das müsse jetzt passieren. „Sonst driftet die Gesellschaft noch weiter auseinander.“
Krach spricht sich für mehr Neubau aus
Krach betonte, beim Neubau müsse es vorangehen: „Wir müssen uns ambitionierte Ziele setzen“, sagte er. Das Ziel sei, bis 2035 insgesamt 200.000 neue Wohnungen zu bauen. „Weil wir diesen Bedarf haben.“
Neubau alleine reiche aber nicht. „Es geht natürlich auch darum, wie können wir den Markt regulieren.“ Er wolle nicht, dass Berlins Regierender Bürgermeister Schnappatmung bekomme und hyperventilieren müsse, betonte Krach und versicherte: „Es geht nicht um Enteignungen.“ Aber das Vergesellschaftungsrahmengesetz sei im Koalitionsvertrag vereinbart. Darüber müsse man jetzt mit der CDU ins Gespräch kommen.
Krach sprach sich dafür aus, den Wohnungsmarkt mit verschiedenen Instrumenten stärker zu regulieren. Es reiche nicht, die Mietpreisbremse zu verlängern, sie müsse verschärft werden, sagte er. Er plädierte auch dafür, dem Vermieten möblierter Wohnungen zu überhöhten Preisen einen Riegel vorzuschieben.
Berlin 2035: keine Obdachlosigkeit und keine Wohnungsnot
SPD-Landesvorsitzender Martin Hikel sagte, das Zukunftsprogramm der Partei sei kein Wahlprogramm. Es solle ein Zukunftsbild zeichnen, zeigen, wo es hingehen soll. Seine Co-Vorsitzende Nicola Becker-Giannini ergänzte, 2035 sei bewusst als Zieljahr ausgewählt worden, weil es weit weg genug für eine Vision und nah genug dran sei, um es sich vorstellen zu können.
Für die SPD gehört dazu, dass Obdachlosigkeit bis dahin überwunden ist und der Wohnungsmangel ebenfalls. Weitere Ziele: Die Bauzeiten haben sich halbiert. Busse und Bahnen sind sauber und sicher. „Gewalt und Kriminalität werden verhindert, bevor sie entstehen“, heißt es im Zukunftsprogramm. Gewaltprävention soll Repression überflüssig machen.
Auch im Bildungsbereich soll sich nach dem Wunsch der SPD vieles zum Besseren verändern: „Jedes Kind verlässt die Kita schulfähig.“ Nach dem Willen der SPD soll sich die Arbeitslosenquote bis 2035 halbieren, genau wie Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung.
Deutlich sicherer wird es auf den Straßen auch: „Berlin feiert 2035 null Verkehrstote.“ Und auch beim Klimaschutz soll es vorangehen: „Der Gesamtberliner Fahrzeugbestand ist zu mehr als 50 Prozent elektrifiziert.“
Die Vorstellungen für das Berlin der Zukunft seien in einem Dialogprozess mit vielen Berlinerinnen und Berlinern aus der SPD und auch aus der Stadtgesellschaft entwickelt worden, sagten die beiden Vorsitzenden.
Politikwissenschaftlerin empfiehlt mehr Klassenkampf
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität, sieht allerdings noch eine Reihe von Aufgaben, die die SPD zu lösen hat. Bei der Frage, welche Partei die Probleme der Stadt lösen könne, sei die SPD tief im Keller.
„Die Menschen müssen den Eindruck haben, dass ihre Probleme wahrgenommen werden“, gab sie den Sozialdemokraten mit auf den Weg. Sie kritisierte außerdem, die SPD liebe es zu sagen, sie sei die Arbeiterpartei. Sie müsse aber klären, wer das sei. „Die Arbeiter von heute sind Kita-Erzieherinnen und Pflegekräfte.“
Die Berliner SPD müsse eine klare Sprache sprechen und beim Alltagsempfinden der Menschen ansetzen. „Die wichtigste Antwort ist, dass es glaubwürdig sein muss“, sagte Reuschenbach. Und noch einen Tipp hatte sie: „Wieder mehr Klassenkampf wagen!“ Krach ließ das unkommentiert.