Britischer Sprachwissenschaftler sammelt seit 23 Jahren bayerische Schimpfwörter Kreiz Kiesl Milliona Dunnawetter
München (epd). "Gruzefix! Sakrament noamol! Herrgott Kreiz Kiesl Milliona Dunnerwetter!" Ja, der Bayer flucht gern, erst recht mit religiösem Vokabular. Ausgerechnet ein Brite erforscht seit 23 Jahren an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München die Eigenheiten der Mundart.
Seit 1960 sammelt die Kommission für Mundartforschung Dialektvokabeln. Ihr britischer Leiter Anthony Rowley ist seit 1988 dabei. Jedes Jahr trägt der 57-Jährige die Ergebnisse in schmalen Büchlein zusammen, im Juni ist die Sammlung von "blind bis Bock" erschienen. Bis 2050 will der Professor bei Z ankommen.
Eine Besonderheit des Bayerischen sei, dass sich hervorragend damit schimpfen lasse. "Erst recht mit religiösen Vokabeln", sagt Rowley. Dabei sei es eher typisch katholisch, mit kirchlichen Begriffen wie "Sakrament" oder "Kruzifix" zu fluchen. "Protestanten dagegen rufen direkt den Namen Gottes, etwa ¿Allmacht!\' oder ¿Herrgott noamol!\'", vermutet Rowley.
Das Bayerische kenne aber auch abseits des "Motzens" viele christliche Ausdrücke. "Denn Religion, ebenso wie Landwirtschaft, dominierte das bayerische Leben lange." Besonders freut er sich über den folgenden Fund: "Di werma scho no katholisch macha!" grinst er schelmisch. Es gibt aber auch Wörter, die es nie in Rowleys Wörterbuch schaffen. "\'Tschüss\' kommt gewiss nicht rein." Da müsse sich erst eine bayerische Form herausbilden. Dann doch lieber ein gutbayrisches "Tschau" oder "Servus".
"In Deutschland ist der Dialekt viel lebendiger als in Großbritannien", hat der Brite beobachtet. Wieso ausgerechnet er als Brite der Hüter des bayerischen Wortschatzes sei? Rowley zuckt mit den Schultern. Er habe sich ganz normal auf die Stelle beworben, und seine Qualifikationen zählten mehr als die Herkunft.
Wer Rowley sprechen hört, den wundert das nicht: Der Professor, der heute in Augsburg wohnt, spricht einen Dialektmischmasch aus Oberbayerisch und Schwäbisch. Nur selten blitzt noch ein britischer Akzent durch.
"Wenn ich meine Schwester besuche, schimpft sie, dass ich sogar schon Englisch mit deutschem Akzent spreche", schmunzelt er.