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H5N1-Virus Lage entspannt sich: Ist die Vogelgrippe-Welle vorbei?

In Thüringen sinken die Vogelgrippe-Fälle, doch das Virus bleibt eine Gefahr. Warum die Stallpflicht für Geflügelhalter weiter gilt und was Experten zur aktuellen Lage sagen.

Von dpa 28.11.2025, 13:48
Allein am Stausee Kelbra wurden seit Anfang Oktober rund 6.000 tote Wildvögel geborgen, teilen die Landratsämter mit. (Archivbild)
Allein am Stausee Kelbra wurden seit Anfang Oktober rund 6.000 tote Wildvögel geborgen, teilen die Landratsämter mit. (Archivbild) Matthias Bein/dpa

Erfurt/Bad Langensalza/Straußfurt - Seit Oktober grassiert die Vogelgrippe in großen Teilen Deutschlands. Betroffen sind unter Wildvögeln vor allem Kraniche. Zudem mussten in großen Geflügelbetrieben in Brandenburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern hunderttausende Tiere getötet werden. In Thüringen hat der Ausbruch des H5N1-Virus seinen Anfang in Geflügelbetrieben im Osten des Landes genommen. Besonders viele tote Wildvögel gab es am Stausee Kelbra an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt. Dort sind zahlreiche Kraniche verendet. Mittlerweile entspannt sich die Lage, wie das für die Tests verstorbener Tiere zuständige Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz berichtet. 

Ist die Vogelgrippe-Welle in Thüringen vorüber? 

So genau sagen kann das niemand. Klar ist jedoch, die Anzahl positiver Tests in Thüringen sinkt, so das Landesamt für Verbraucherschutz (TLV). Insgesamt wurden seit Anfang Oktober 65 Wildvögel positiv getestet - 37 davon im November. Seit Mitte des Monats würden die wöchentlichen Fallzahlen zurückgehen.

Auch die Auflagen für Geflügelhalter sind zuletzt gesunken: Seine nach einem Vogelgrippe-Ausbruch verhängte Überwachungszone hat der Kreis Nordhausen am Donnerstag aufgehoben. Im Kreis Greiz, wo die Vogelgrippe-Saison in Thüringen in diesem Jahr ihren Anfang genommen hat, sind die um die betroffenen Betriebe geltenden Schutz- und Überwachungszonen mittlerweile aufgehoben worden. Nach wie vor gelten aber landesweit Stallpflichten rund um bei Wildvögeln beliebte Gewässer. Zudem haben praktisch sämtliche Landkreise im Norden Thüringens und der Kreis Gotha nach wie vor flächendeckende Stallpflichten verhängt. 

Steffen Goldberg ist Landeskoordinator für Thüringen bei der von Nabu und WWF gegründeten Organisation „Kranichschutz Deutschland“. Er berichtet, dass er bereits seit rund zwei Wochen keine kranken Tiere mehr am Rückhaltebecken Straußfurt beobachtet hat. Das Gewässer im Kreis Sömmerda ist nach Angaben des Experten der südlichste Rastplatz in Deutschland, den die Tiere auf ihrer Westroute nach Spanien und Afrika vor dem nächsten Halt in Frankreich ansteuern. 

Treten Vogelgrippe-Fälle mittlerweile das ganze Jahr über auf?

Ja. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts gibt es seit 2021 das ganze Jahr hindurch Infektionen, davor trat der Erreger fast nur im Zusammenhang mit dem Vogelzug in der kalten Jahreszeit auf. Saison hat das Virus laut TLV allerdings nach wie vor im Winter. Das liege vor allem daran, dass sowohl Sonnenlicht als auch höhere Temperaturen die Infektion unterbrechen können. Mit Ende des aktuellen Herbstvogelzuges sinke die Zahl der Fälle zwar. Inzwischen trete das Virus aber verbreitet in der gesamten Wildvogelpopulation auf. 

Welcher wirtschaftliche Schaden ist durch die Vogelgrippe in Thüringen entstanden? 

In fünf Betrieben gab es Ausbrüche - vier davon allein im Kreis Greiz, wo die ersten Fälle Anfang Oktober bekanntgeworden waren. Insgesamt wurden dort 1.358 Tiere gekeult - davon 907 Enten, 284 Gänse und 149 Hühner. Einen weiteren Fall gab es im Kreis Nordhausen. Dort war ein Betrieb mit 113 Tieren betroffen. Die meisten der Enten und Gänse waren dort nach Angaben des Landratsamtes allerdings bereits verendet gewesen. 25 der Tiere wurden getötet. Muss Geflügel etwa in Agrarbetrieben wegen der Vogelgrippe auf Anordnung der Veterinärbehörden getötet werden, zahlt die Tierseuchenkasse den Tierhaltern eine Entschädigung. Zuletzt lagen dort noch keine Anträge auf Entschädigung vor. 

Klar ist aber, Thüringen ist im Vergleich zu anderen Ländern weitgehend verschont geblieben: Schon rund 1,5 Millionen Tiere sind in deutschen Geflügelhaltungen in den vergangenen Wochen wegen Vogelgrippe-Nachweisen im Stall getötet worden. Die Fallzahlen steigen dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) zufolge steiler als in der Saison 2020/2021, einem der bisher schlimmsten Geflügelpest-Winter für die Betriebe.

Sind allein Kraniche unter den Wildvögeln betroffen gewesen? 

Rund drei Viertel aller positiv getesteten Wildvögel in Thüringen waren Kraniche, der Rest Greifvögel, gänseartige Vögel, Möwen oder Schwäne, wie das TLV mitteilte. Kranichschützer Goldberg hat die Zahlen sämtlicher Veterinärämter in Thüringen zusammengetragen. Rund 740 tote Kraniche wurden in Thüringen aufgefunden. Doch dieses Bild ist unvollständig: Am Stausee Kelbra, wo die meisten Kraniche verendet sind, wurden nach Angaben der drei anliegenden Landkreise rund 6.000 tote Tiere geborgen - 5.900 davon auf sachsen-anhaltischer Seite. Die meisten der toten Vögel waren Kraniche. 

Nach Angaben von Kranichschutz Deutschland sind insgesamt bis heute mindestens 18.000 Kraniche allein in Deutschland an der Geflügelpest verstorben. Die Organisation spricht von einer Tragödie. Es sei ein beispielloses Kranichsterben in Deutschland gewesen, leider aber kein Einzelfall, sagt Goldberg. Vergleichbare Ausbrüche habe es in den vergangenen Jahren bereits in Israel im Winter 2021 und in Ungarn 2023 gegeben. Auch in diesen Fällen sind jeweils zehntausende Tiere verendet.

Was lässt sich aus dem Vogelsterben in diesem Jahr lernen? 

Aus Sicht des Kranichexperten braucht es mehr Monitoring zur Herkunft und zu den Verbreitungswegen des Virus. Steffen Goldberg hält es für wahrscheinlich, dass die Tiere sich mit dem aggressiven Virus im Zusammenhang mit der Massentierhaltung angesteckt haben. Auch brauche es mehr Informationen über Infektionsrisiko und Viruslast bei verendeten Tieren, glaubt der Vogelschützer. Viele tote Kraniche würden nach wie vor im Rückhaltebecken Straußfurt liegen, da das Gelände an vielen Stellen schlicht nicht zugänglich sei. Aasfressende Krähen könnten den Erreger weiter tragen. Wie lange die Kadaver infektiös seien, sei unbekannt. 

Dauerhaftes Monitoring bei Ausbrüchen unter Wildvögeln gebe es so nicht, erläutert das TLV auf Nachfrage. Zwar werde jedes eingesandte Tier untersucht. Bei größeren Seuchengeschehen wie in diesem Jahr würden Nachuntersuchungen allerdings nur stattfinden, wenn neue Gebiete betroffen sind. Anders ist das bei Hausgeflügelbeständen - hier würden Proben immer nachuntersucht.