Haushalt Landesetat vorgelegt - Landkreise verlangen Nachbesserung
Der Doppelhaushalt für 2026/27 ist das bisher größte Projekt der Thüringer Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD. Die Landesregierung hat die Zahlen auf den Tisch gelegt - und erntet prompt Kritik.

Erfurt - Thüringens Ausgaben steigen in den kommenden beiden Jahren deutlich an, aber auch die Landesschulden. Zur Finanzierung muss das Land erstmals seit der Corona-Krise beträchtliche Kredite aufnehmen. Das geht aus dem Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt 2026/27 hervor. Ministerpräsident Mario Voigt (CDU), der das Zahlenwerk zusammen mit Finanzministerin Katja Wolf (BSW) vorstellte, sprach von einem Investitionshaushalt, der das Leben der Menschen verbessern und die Wirtschaft ankurbeln solle. Die Investitionen pro Einwohner würden von 983 Euro auf 1.350 Euro steigen.
1,4 Milliarden Euro neue Schulden in zwei Jahren
Nach dem Haushaltsentwurf sind 2026 Ausgaben von knapp 14,7 Milliarden Euro und neue Schulden von 867 Millionen Euro vorgesehen. 2027 hat der Haushalt ein Volumen von rund 15,0 Milliarden Euro und die Schuldenaufnahme beläuft sich auf 552 Millionen Euro. 2025 liegen die Landesausgaben bei 14,1 Milliarden Euro.
Vorgesehen ist zudem ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm für die Kommunen von jährlich 250 Millionen Euro sowie eine alternative Finanzierung staatlicher Bauprojekte durch die Landesentwicklungsgesellschaft. In einer Sondersitzung am 24. September soll der Etatentwurf dem Landtag vorgelegt werden.
Einzelne Reaktionen der Wirtschaft auf die Neuverschuldung fielen kritisch aus - der Landkreistag verlangte Nachbesserungen bei gekürzten Zahlungen für gesetzlich vorgeschriebene Sozialleistungen. Sollte es bei den Kürzungen bleiben, drohe in vielen Kreisen die Handlungsunfähigkeit - oder die Kreise müssten ihre Umlage für Städte und Gemeinden erhöhen, sagte der Präsident des Landkreistages, Christian Herrgott, der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Der Chef der oppositionellen Linke-Fraktion, Christian Schaft, warf Voigt vor, Anspruch und Realität beim Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt klafften auseinander. Die Linke befürchtet einen Kahlschlag bei Sozialleistungen durch die Hintertür.
Wolf: Wachstumsimpulse „wahnsinnig wichtig“
Wolf und Voigt verteidigten die Schuldenaufnahme, sie sei durch die Investitionen gerechtfertigt. Es gehe vor allem um bessere Bildung, Krankenhausmodernisierung, Infrastrukturprojekte und Bevölkerungsschutz, letztlich darum, den Investitionsstau bei Land und Kommunen einzudämmen. „Gerade jetzt sind Wachstumsimpulse wahnsinnig wichtig“, sagte die Finanzministerin. Die Schuldenaufnahme wäre nicht in dieser Größenordnung nötig, „wenn in guten Zeiten gut vorgesorgt worden wäre“.
Vorausgegangen waren wochenlange Verhandlungen der Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD. Der Doppelhaushalt ist das bisher größte Projekt seit dem Regierungsantritt der drei Parteien im vergangenen Jahr. Die Ministerien hatten für ihre Ausgaben in den kommenden beiden Jahren Eckwerte erhalten, die eingehalten werden sollten.
Wolf verwies darauf, dass erstmals seit Jahren keine zusätzlichen Stellen im Landesdienst geschaffen würden. „Wir haben den Stellenaufwuchs gestoppt.“ Für den Bedarf bei Lehrern und Polizisten würden quasi vorhandene, unbesetzte Stellen genutzt. Trotzdem steigen die Personalausgaben des Landes um vier bis fünf Prozent auf 4,2 Milliarden Euro im Jahr 2027. Sie machen damit etwa 27 Prozent aller Ausgaben aus.
Landkreistag: Bleiben auf 170 Millionen Euro sitzen
Landkreistags-Präsident Herrgott zeigte sich über den Haushaltsentwurf bei der Finanzierung von Sozialleistungen der Kommunen enttäuscht. „Die Landkreise bleiben bei dem vorgelegten Entwurf auf 170 Millionen Euro sitzen“, sagte er der dpa. Dabei gehe es um gesetzliche Pflichtleistungen wie Jugendhilfe, Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Nach Angaben von Herrgott hat die Landesregierung die Sondertöpfe für Sozialausgaben der Kommunen gestrichen und zahlt nun 100 Millionen Euro, die jedoch keinen Ausgleich schafften.
Die reale Kürzung bei der Erstattung von sozialen Pflichtleistungen bei den Landkreisen beträgt nach seinen Angaben 64 Millionen Euro - im Schnitt 3,8 Millionen Euro pro Landkreis im Vergleich zu 2025. Hinzu kämen Kostensteigerungen von 105 Millionen Euro für die Kreise allein 2026. „Die Regierung hat mit dem kommunalen Investitionspaket mit jährlich 250 Millionen Euro einen großen Wurf gelandet. Das hilft beim täglichen Bedarf - und dazu gehörten die Sozialausgaben - aber nicht.“
Linke erinnert an Anspruch von Voigt
„Mit Verwunderung nehme ich zur Kenntnis, dass der Ministerpräsident, der jahrelang vehement Schulden ablehnte und den Haushalt unter 12 Milliarden drücken wollte, nun das Gegenteil macht“, äußerte Linke-Fraktionschef Schaft. Die Linke stellt neben der AfD die Opposition im Landtag in Erfurt. „Wenn die kreditfinanzierten Investitionen von einem sozialen Kahlschlag durch die Hintertür ablenken sollen, ist das mit uns nicht zu machen.“
Die sogenannte Brombeer-Koalition in Thüringen verfügt nur über 44 von 88 Sitzen im Landtag. Um das Patt aufzulösen, braucht sie für Entscheidungen Stimmen der Linken. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat sie ausgeschlossen.
Die Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt, Cornelia Haase-Lerch, sagte: „Wir sehen mit Sorge, dass der Landeshaushalt weiter aufgebläht wird, auch wenn die Absichten dieses Doppelhaushalts Stabilität und Investitionen sind.“ Kredite sollten nur für gewinnbringende Infrastruktur aufgenommen werden, verlangte der Verband der Wirtschaft Thüringen.