Antisemitismus Meldestelle: Fast jeden Tag ein antisemitischer Vorfall
Fast 400 dokumentierte Vorfälle, 40 Gewalttaten – und eine sinkende Hemmschwelle: Jüdinnen und Juden waren im vergangenen Jahr deutlich mehr Übergriffen ausgesetzt als zuvor.

Dresden - Nahezu täglich hat es in Sachsen im vergangenen Jahr einen antisemitischen Vorfall gegeben. Der Anstieg nach dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe sich damit auf hohem Niveau verfestigt, teilten der Landesverband der Meldestelle Antisemitismus (Rias) und die Opferberatungsstelle OFEK Sachsen bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes mit.
Insgesamt wurden demnach im vergangenen Jahr 349 antisemitische Vorfälle dokumentiert – im Schnitt 29 pro Monat. Im Vergleich zu 2023 stieg die Anzahl um 82 Prozent. Darunter waren 40 Gewalttaten, also körperliche Angriffe (16 Fälle), Bedrohungen (8 Fälle) und gezielte Sachbeschädigung, etwa der Diebstahl von Stolpersteinen (16 Fälle). Das sei eine sehr hohe Zahl für Sachsen, zumal die Dunkelfelder noch nicht ausgeleuchtet seien, sagte Marina Chernivsky, Vorstand und Geschäftsführung OFEK.
Beleidigungen, Schmierereien und Hass im Netz
Ein Großteil der Fälle ist mit 270 der Kategorie verletzendes Verhalten zugeordnet, davon 53 auf Versammlungen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Beleidigungen, Anfeindungen im Internet oder auch Schmierereien im öffentlichen Raum.
Haupttatort war laut Bericht die offene Straße – etwa ein Drittel der Vorfälle (132) ereignete sich dort. Als Erscheinungsform wurde der israelbezogene Antisemitismus mit 222 Vorfällen mit Abstand am häufigsten dokumentiert, darunter 53 direkte Vernichtungsdrohungen gegen den Staat Israel, einzelne Jüdinnen und Juden oder jüdische Institutionen.
„Nirgendwo sicher“: Antisemitismus wird Alltag
Der Bericht zeige, dass jüdische Menschen nirgendwo mehr sicher seien. Chernivsky sprach von einer sich normalisierenden antisemitischen Grundstimmung in allen Teilen der Gesellschaft und allem voran von Antisemitismus in rechten Bewegungen und Parteien. „Rechtsextreme Slogans, Schmierereien, Angriffe sind Teil des Alltages von Juden und Jüdinnen und die Schwelle für offene Gewalt sinkt zunehmend.“
Besonders seit dem 7. Oktober 2023 herrsche eine andere Dynamik vor. Der Nahostkonflikt sei dabei ein Ventil, keine Ursache. „Juden und Jüdinnen leben in Deutschland, so auch in Sachsen, buchstäblich umgeben von Auslöschungsfantasien“, sagte Chernivsky. Das sei spürbar bei Versammlungen, aber auch an Universitäten und in allen anderen öffentlichen Bereichen, durch Sticker und Plakatierung, aber auch Äußerungen, die das sehr deutlich zum Ausdruck brächten.