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Rechte Gewalt Mutmaßlich rechter Angriff auf Wohnprojekt in Cottbus

Mutmaßliche Rechtsextreme greifen ein Wohnprojekt in Cottbus an - mit Fackeln, Böllern, Parolen. Die Politik will über besseren Schutz beraten. Es ist nicht der erste Gewaltvorfall in Südbrandenburg.

Von Monika Wendel, dpa 25.05.2025, 14:34
Am Tag nach dem Angriff gegen ein alternatives Wohnprojekt in Cottbus sind an dem Haus kaum Spuren zu erkennen.
Am Tag nach dem Angriff gegen ein alternatives Wohnprojekt in Cottbus sind an dem Haus kaum Spuren zu erkennen. Frank Hammerschmidt/dpa

Cottbus - Ein alternatives Wohnprojekt in Cottbus ist Ziel eines mutmaßlich rechtsextremen Angriffs geworden. Vermummte griffen das Gebäude in der Nacht mit Böllern und Fackeln an. Laut Polizei sollen sie verfassungsfeindliche Parolen gerufen haben.

Die Betroffenen des „Hausprojekts Zelle 79“ sprachen von einem versuchten Brandanschlag Rechtsextremer. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz ermittelt. Die Täter sind laut Polizei bislang noch unbekannt. In den vergangenen Monaten kam es wiederholt zu Angriffen auf Einrichtungen der linken Szene und auf Jugendclubs in Südbrandenburg. Cottbus gilt seit Jahren als ein Hotspot der rechten Szene.

Täter machten sich an Tür zum Gebäude zu schaffen

Die fünf Angreifer in Cottbus sollen dunkel gekleidet und teils vermummt gewesen sein, wie die Polizeidirektion Süd am Samstagnachmittag mitteilte. Bewohner des Hauses schilderten in einer eigenen Mitteilung, die Täter hätten Sturmhauben getragen.

Sie sollen auch Teile einer Baustelle genutzt haben, um die Tür des Gebäudes zu beschädigen, sagte ein Sprecher der Polizei. Es werde geprüft, ob sie wirklich in das Haus eindringen wollten. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruch. Kriminaltechniker sicherten Spuren. 

Es gibt aus der Nacht auch eine Videoaufnahme, die die Polizei laut eines Sprechers noch sichten will. Das „Hausprojekt Zelle 79“ in Cottbus soll nach eigenen Angaben auch schon einmal im März angegriffen worden sein.

Ermittlungen zu mehreren Fällen rechtsextremer Gewalt

Erst vor wenigen Tagen ging der Generalbundesanwalt gegen junge mutmaßliche Rechtsextremisten im südbrandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz und in anderen Bundesländern vor. Im Oktober 2024 wurde nachts ein Kulturhaus im Altdöbern in Brand gesetzt, in Senftenberg wurde ein Brandanschlag auf eine Asylunterkunft geplant.

Initiative spricht von gezieltem Einschüchterungsversuch

Die Sprecherin der „Initiative Sichere Orte Südbrandenburg“, Ricarda Budke, sagte laut Mitteilung: „Es handelt sich um einen gezielten Einschüchterungsversuch durch organisierte rechte Strukturen. Das war kein jugendlicher Übermut - das war ein koordinierter Angriff mit politischer Botschaft.“

Nach dem Angriff will der Cottbuser Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) darüber beraten, wie solche Einrichtungen besser geschützt werden können. Das sagte ein Sprecher der Stadt der Deutschen Presse-Agentur. Schick sei mit der Polizei und Betroffenen in dem „Hausprojekt Zelle 79“ in Kontakt. Er wolle Beteiligte gemeinsam an einen Tisch holen, so sein Sprecher.

„Unsere demokratischen und antifaschistischen Orte werden von Polizei und Politik trotz wiederholter rechter Angriffe nicht ausreichend geschützt und unterstützt“, beklagte der Pfarrer Lukas Pellio, der auch für die Initiative „Sichere Orte Südbrandenburg“ spricht. Die Grünen in Brandenburg forderten ein entschlossenes staatliches Handeln gegen rechtsextreme Strukturen.

Stadtspitze: Cottbus braucht Atmosphäre ohne Angst

Der Cottbuser Oberbürgermeister zeigte sich besorgt, dass auch die Entwicklung der Region und benötigter Zuzug leidet. Solche Fälle könnten dringend benötigte Fachkräfte abschrecken. Cottbus brauche aber für den Strukturwandel angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohle „Zuzug aus aller Herren Länder“, ließ Schick über seinen Sprecher mitteilen. Es brauche eine Atmosphäre, in der niemand Angst haben und um sein Leben fürchten müsse. 

Brandenburgs neuer Innenminister René Wilke nahm nach dem Vorfall am Samstag Kontakt zum Oberbürgermeister auf, wie eine Sprecherin in Potsdam sagte. Es müssten nun zunächst weitere Erkenntnisse gesammelt werden.

Polizei: Bislang keine Tatverdächtigen gefasst

Menschen wurden bei dem Angriff auf das Haus laut Polizei nicht verletzt. Bei der Fahndung nach den Tätern seien mehrere Menschen in der Umgebung kontrolliert worden, hieß es. „Ein Tatverdacht gegen diese Personen hat sich jedoch nicht ergeben.“

Eine Bewohnerin des Hauses schilderte in der Mitteilung vom Samstag, sie sei von Böllern wach geworden, überall seien Rauch und rote Flammen gewesen. Weiter berichtete das Wohnprojekt, die Angreifer hätten versucht, die Haustür aufzubrechen. Es seien fünf pyrotechnische Fackeln in den Hinterhof und auf das Gebäude geworfen worden. Auch ein Stein sei in Richtung eines geöffneten Fensters geworfen worden. 

Das „Hausprojekt Zelle 79“ bezeichnet sich als ein „Freiraum“ für alternative Kultur, Bildung und selbstverwaltetes Wohnen in Cottbus. Es ging aus einer Hausbesetzung hervor.