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Justiz Neun Jahre für Halle-Attentäter nach Geiselnahme

Er wurde nach dem Anschlag von Halle zur Höchststrafe verurteilt. Aus dem Gefängnis versuchte der 32-Jährige mit einer Geiselnahme freizukommen. Welche Strafe bekommt er dafür?

Von dpa Aktualisiert: 19.02.2024, 16:59
Justitzbeamte führen den Angeklagten Stephan Balliet in den Gerichtssaal.
Justitzbeamte führen den Angeklagten Stephan Balliet in den Gerichtssaal. Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Magdeburg - Im Prozess wegen Geiselnahme im Gefängnis in Burg hat die Generalstaatsanwaltschaft für den Attentäter von Halle eine neunjährige Haftstrafe gefordert. Zudem solle eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet werden, denn es seien immer weitere Straftaten zu erwarten, hieß es am Montag im Plädoyer in Magdeburg. Der Verteidiger des 32-Jährigen verzichtete auf ein konkretes Strafmaß. Nach der Beweisaufnahme stehe die Tat fest. Der Angeklagte verfolgte den vierten Verhandlungstag weitgehend regungslos. Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin, ob er zum Abschluss etwas sagen möchte, sagte er nur: „Nein, Danke“. Die Urteilsverkündung wurde für den 27. Februar angesetzt.

Beim Prozessauftakt am 25. Januar hatte der 32-jährige Angeklagte die Geiselnahme vom 12. Dezember 2022 gestanden. Er beschrieb genau, wie er vorgegangen war. Ihm sei alles nicht schnell genug gegangen, sein Ziel sei die Freiheit gewesen. Er drohte Vollzugsbeamten mit seinem selbst gebastelten Schussapparat, sie öffneten ihm mehrere Türen. Der Versuch scheiterte. Mit Videokameras war das Geschehen in dem Gefängnis dokumentiert worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg klagte Stephan Balliet nach der Tat wegen Geiselnahme und Verstoßes gegen das Waffengesetz an.

Sein Geständnis sei schnörkellos und umfassend gewesen, der Angeklagte habe nicht im geringsten Umfang Reue gezeigt, so die Generalstaatsanwaltschaft. Der Angeklagte habe seine lebenslange Freiheitsstrafe wegen des Halle-Attentats abgesessen, als er in seiner Zelle die schussfähige Waffe bastelte. Diese sei von den Bediensteten als Maschinenpistole erkannt worden. Alle hätten von seiner Tat in Halle gewusst, bei der er zwei unbeteiligte Menschen willkürlich erschoss. Auch damals waren die Waffen selbst gebaut. Die Bediensteten seien dem Geiselnehmer völlig ausgeliefert und in Todesangst gewesen. Alle hätten gegen ihren Willen und in Sorge um das Leben ihrer Kollegen gehandelt und Türen geöffnet.

Auch wenn alles etwa 30 Minuten gedauert habe, das Betrachten der Videoaufzeichnungen lasse diese Zeit schon für Zuschauer quälend lange erscheinen, hieß es im Plädoyer der Generalstaatsanwaltschaft weiter. Es seien schreckliche Umstände gewesen, die Bilder zeigten, unter welchem Druck alle Beteiligten gestanden hätten. Die Bediensteten litten noch heute unter erheblichen Folgen der Geiselnahme. Das betonten auch die Nebenklagevertreter, die die Gefängnisbediensteten vertreten. Die Anwälte schlossen sich dem Strafantrag der Generalstaatsanwaltschaft an.

Der Verteidiger verwies auf eine Sicherungsverfügung, die für den Halle-Attentäter im Gefängnis Burg galt. Er war als einer der 30 gefährlichsten Insassen eingestuft. Demnach hätten immer zwei Bedienstete beim Öffnen und Verschließen des Haftraums dabei sein sollten. Am Tag der Geiselnahme sei es nur einer gewesen. „Das rechtfertigt nicht die Tat des Angeklagten, muss aber wenigstens berücksichtigt werden“, so der Verteidiger.

Ein Sachverständiger hatte den Angeklagten als schuldfähig bezeichnet. Von ihm seien auch weiter schwere Straftaten zu erwarten, wenn er die Gelegenheit dazu habe. Der Prozess des Landgerichts Stendal wird in einem Hochsicherheitssaal in Magdeburg geführt. Hinter dem Angeklagten sitzen dabei stets vier maskierte und speziell ausgerüstete Justizbeamte. Das Publikum sitzt hinter Sicherheitsglas.

Auf absehbare Zeit kommt der Angeklagte nicht in Freiheit. Wegen des rassistischen und antisemitischen Anschlags von Halle verbüßt er eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit wäre ohnehin offen, wann er seine Haftstrafe abgesessen hat und in die komfortablere Sicherungsverwahrung wechseln könnte. Am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte er versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen.