Gesundheitsministerin Nonnemacher warnt vor Wegfall von Frühchenstationen
Wenn Babys zu früh auf die Welt kommen, können sie in Krankenhäusern auf besonderen Stationen versorgt werden. Dafür gibt es aber zunehmend strenge Vorgaben - das könnte bald Folgen haben.
Potsdam/Cottbus - Die Frühchenstationen in Brandenburg stehen nach Ansicht von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) wegen neuer Vorgaben vor einem möglichen Aus. „Wir müssen solche Zentren vorhalten“, sagte Nonnemacher am Mittwochabend in der RBB-Sendung „Brandenburg Aktuell“. „Wenn wir nächstes Jahr auf 25 Kinder, die behandelt werden müssen, hochgehen, dann ist auch Brandenburg/Havel und selbst unsere beiden Großstädte Cottbus und Potsdam schon gefährdet.“ Andernfalls müssten Eltern weiter fahren.
In Brandenburg gibt es derzeit vier solcher Frühchenstationen: in Potsdam, Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder). Das Klinikum Frankfurt (Oder) bietet seine Station nach Angaben von Sprecherin Viola Bock im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung an.
Nach der Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses - das Gremium entscheidet über Leistungen gesetzlich Krankenversicherter - müssen ab 2024 pro Jahr mindestens 25 Babys mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm behandelt werden, damit eine Frühchenstation erhalten bleibt. Aktuell sind es 20 Kinder.
Im vergangenen Jahr gab es laut Gesundheitsministerium 88 Frühchen mit einem solchen Geburtsgewicht im Land, darunter 85 in den vier Kliniken Potsdam, Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder). Die Aufteilung auf die vier Standorte lag zunächst nicht vor.
Ministeriumssprecher Gabriel Hesse wies darauf hin, dass nach den Zahlen des ersten Halbjahres die Gefahr bestehe, dass im Land Brandenburg keine Klinik die Mindestmenge von 25 im Jahr 2024 erreichen würde. „Die genauen Zahlen müssen wir abwarten.“
Die Regelung des Bundesausschusses sieht Mindestmengen für planbare Leistungen vor. Bei Frühchenstationen ist umstritten, ob es sich darum handelt. Nonnemacher fordert, dass die medizinische Qualität als Kriterium zugrundegelegt wird. „Wenn man Qualitätskriterien immer nur an Mindestmengen festmacht, ist das höchst fragwürdig. Dann haben wir im Land langsam gar keine Versorgung mehr“, sagte sie im RBB.
Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg ist dem Ministerium zufolge eine Klage von bundesweit mindestens 34 Anbietern anhängig, die die Erhöhung der Mindestmengen von 12 auf 20 bei Früh- und Neugeborenen für dieses Jahr in ihrer Prognose nicht hinreichend erreichen konnten. Dazu zählen das Klinikum Frankfurt/Oder und das Klinikum Westbrandenburg Brandenburg/Havel.
Der Chef der Gesundheitsministerkonferenz, Baden-Württembergs Ressortchef Manne Lucha (Grüne), sieht das Risiko, dass in den meisten Ländern voraussichtlich ein Viertel bis die Hälfte der Frühchenstationen die neue Mindestmenge nicht erreichen könnten. Acht Länder - Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg - hatten versucht, sich gegen die Regelung zu wenden. In einem Schreiben forderte Lucha im Namen dieser Länder, die Änderung für 2024 auszusetzen. Die Länder hatten jedoch keinen Erfolg mit ihrer Initiative.
Das Klinikum Westbrandenburg mit Standorten in Potsdam und Brandenburg/Havel zeigt sich derzeit zuversichtlich. „Wir haben bisher jedes Jahr die geforderten Mindestmengen erreicht“, sagte Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. „Auch wenn derzeit bundesweit ein Rücklauf der Zahlen zu verzeichnen ist, erwarten wir im Jahr 2023 die Mindestmenge von 20 zu erreichen.“
Vom Perinatalzentrum in Klinikum Frankfurt (Oder) lagen keine Zahlen vor. Das Zentrum ist nach Klinikangaben zur Versorgung aller Früh- und Neugeborenen hervorragend ausgestattet. „Die Erfüllung dieses Versorgungsauftrages sehen wir auch zukünftig als unsere Aufgabe für die qualitätsgeprüfte Sicherheit bei der Geburt und Versorgung von Frühgeborenen.“