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Saale: Poltriges Paddeln an der alten Grenze

Von Martin Rieß 08.05.2012, 12:13

Eine Fahrt auf der oberen Saale lohnt doppelt – landschaftlich und mit Blick auf die Geschichte an der Grenze zwischen Franken und Thüringen. Allerdings ist der Fluss auf diesem Abschnitt keineswegs einfach zu befahren.

"Nicht am Ast festhalten!" Es hilft nichts: Nach einem Navigationsfehler wird das Kanu vom strömenden Wasser in der fünften Kurve hinter dem Ortsausgang von Hof unter den Baumstamm gezogen, der an dieser Stelle dicht über dem Wasser bis zur Flussmitte ragt. Langsam neigt sich das Boot, kentert. Packsäcke und Plastetonnen schwimmen davon, die Besatzung steht hüfthoch im sechs Grad kalten Saalewasser. Was nicht wasserdicht verpackt ist, wird nass – sogar die Dose mit Imprägnierspray.

Gegen Kälte hilft Bewegung – also weiterpaddeln. Die ruhige und wahrlich sehenswerte Landschaft der oberfränkischen Provinz zieht am Flussufer vorbei: Wiesen, Weiden, Wälder. Ab 1,80  Meter Pegelstand in Hof sei die obere Saale gut zu bepaddeln, ist im Internet zu lesen. Mag sein, allerdings wäre ein Schluck Wasser mehr unter dem Boot durchaus zu begrüßen. Denn so recht Zeit, sich an der Landschaft zu erfreuen, bleibt kaum: Ständig muss Ausschau gehalten werden nach einem der unzähligen Steine, über die das Boot im besten Fall hinweggleitet, im schlimmsten mit einem lauten Poltern dagegen prallt.

Klar ist bereits vor der Fahrt: Muskelkraft ist nicht allein zum Paddeln gefragt. Zahlreiche Wehre zwischen Hof und Blankenstein säumen den Weg. Das heißt jedes Mal: Aussteigen, Boot aus dem Wasser ziehen, Gepäck ausladen, Boot um das Wehr zur Einsatzstelle tragen, wieder einladen, ins Wasser schieben, einsteigen, losfahren. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Gerade an den Stellen, an denen die nächste Einsatzstelle nicht nur ein paar Meter entfernt liegt.

Beispiel Lamitzmühle. Schilder künden davon, dass das Betreten des Ufers streng verboten ist. Privatgelände. Statt dessen ein weiter Umweg um das Grundstück – über eine Wiese, einen Weg, an einem Feld entlang. Was für jene, die nur auf Tagestour oder mit Begleitfahrzeug unterwegs sind, noch als sportliche Zwischenübung durchgeht, entpuppt sich für Paddler mit Gepäck als echte Spaßbremse.

Den oberfränkischen Touristikern immerhin ist dieses Hindernis bewusst. Werner Klöppel betreibt in Hof den Abenteuerladen – in dem man sich unter anderem für Paddeltouren ausstatten oder Boote für die Tour leihen kann. Er sagt: "Auf der anderen Flussseite befindet sich an der Lamitzmühle ein Wanderweg. Wir verhandeln derzeit darüber, dass an dieser Stelle eine Möglichkeit zum Umtragen gebaut wird."

Ein paar Kilometer weiter beginnt das War-mal-Land. Will heißen: Hier wird die Saale für 18  Kilometer zum Grenzfluss zwischen Bayern und Thüringen. Da war mal eine Grenze. Zu sehen ist von dem Wall aus Eisenzäunen, Signalanlagen, Betontürmen und Panzersperren nicht mehr viel. Ab und zu ist auf der thüringischen Flussseite im Uferdickicht ein verwitterter Grenzpfahl zu entdecken. Eine Erinnerung an die Teilung bietet in diesem Gebiet am ehesten noch das Grenzmuseum in Mödlareuth. Allerdings befindet sich dieses rund fünf Kilometer von der Saale entfernt.

Auch andernorts ist War-mal-Land. In Hirschberg auf thüringischer Seite gab es einmal einen Eisenbahnanschluss. Und es gab einmal eine Lederfabrik auf einer Fläche von mehr als 16 Hektar. Diese wurde Mitte der 90er Jahre bis auf wenige Reste abgerissen, die heute an die industrielle Vergangenheit des Städtchens erinnern sollen.
In einer Kneipe des Ortes erinnert sich ein Besucher voll bitterer Ironie daran, dass das Unternehmen seinerzeit als so marode eingestuft wurde, dass man die Maschinen nur noch nach Amerika verkaufen konnte. Erhalten geblieben ist ein für Hirschberg recht großes Kulturhaus – angeblich das erste in der DDR.

Das War-mal-Land in industrieller Hinsicht begegnet uns auch ein paar Kilometer weiter in Blankenberg: Hier ist es eine alte Papierfabrik, von der einige Reste für die Nachwelt konserviert wurden.
Dass immerhin einige Unternehmen überlebt haben, beweist das Dorf Blankenstein für den Paddler besonders eindrucksvoll: Hier gibt es direkt am Fluss bis heute die Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal. Die Anlagen wirken beeindruckend und angesichts der ruhigen Dörfer und stillen Wälder auf den Kilometern zuvor und danach geradezu gigantisch.

Anstelle der fehlenden Industrie soll der Tourismus ein wenig für Aufschwung sorgen. Ab Thüringen ist die Saale Teil des Tourismusprojekts Blaues Band. Unterhalb des Hirschberger Schlosses soll ein Gondelverleih auf dem Rückstau vor dem Wehr Gäste anlocken. In Blankenstein und Sparnberg sind vorbildliche Umtragestellen an den Wehren eingerichtet, in Blankenberg gibt es sogar eine kombinierte Fischtreppe mit Bootsrutsche. Das Wehr ist hier in Minutenschnelle zu überwinden.

Allerdings: Bei so viel Licht gibt es auch Schatten. Satte 1,3 Kilometer muss an der Blumenaumühle bei Pottiga umgetragen werden – und das auf einer Strecke, die nicht ausgeschildert und ausgebaut ist. Zudem landet der Bootstourist in einem stillen Wasser, das sich ein paar Hundert Meter weiter in einen Bach verwandelt.

Hier geht es nicht vorwärts, ohne wieder aus dem Boot auszusteigen und das Boot zu ziehen. Der Grund: Bei Niedrigwasser fließt das Wasser hier nahezu komplett durch den Mühlengraben und fehlt damit im Flussbett. Wer dem Weg des Wassers in den Mühlengraben folgt, wird zu Strom verarbeitet.

Und auch in Hirschberg müssen Probleme gelöst werden: Die Einsatzstelle hinter dem zweiten Wehr ist viel zu flach, zudem versperren Steine den Weg. Und am Ostersonnabend zu einer Mahlzeit in eine Gaststätte einzukehren, erweist sich als Problem. Die Gaststätten haben geschlossen, genau wie im benachbarten fränkischen Tiefengrün. Die Rettung ist an diesem Tag allein ein Döner-Imbiss zwischen zwei Supermärkten am Ortsrand.

Schlagartig verändert sich das Bild des Flusses zwischen Blankenstein und Harra. Aus dem Gebirgsfluss, der hier nicht mehr die Grenze zwischen Bayern und Thüringen markiert, wird eine Bergsee-Landschaft. Nach einer flussseitigen Besichtigung der Blankensteiner Fabrik erstrecken sich rechts und links auf dem immer breiter werdenden Gewässer Wälder in die Höhen. Bei Windstille spiegeln sich die Landschaft und der Himmel, unterbrochen nur von den Wellen der Paddelschläge. Das ist der Rückstau der Bleilochtalsperre. Das von 1926 bis 1932 im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprojektes angelegte Gewässer fasst 215 Millionen Kubikmeter – mehr als jede andere Talsperre Deutschlands.

Ganz im Gegensatz zum Abschnitt zwischen Hof und Blankenstein ist der Stausee zur Gänze auf Tourismus eingestellt. Im zeitigen Frühjahr liegen unzählige Boote noch wie im Winterschlaf zugedeckt an den Ufern – in den kommenden Monaten werden sie aber wieder das Bild auf dem wasserreichsten Stausee zwischen Bodensee und Ostsee bestimmen. Wer selbst nicht zum Paddel greifen möchte und die Fahrt im gemieteten Motorboot verschmäht, kann sich hier auf einem Ausflugsschiff an den Wäldern und an den Ferienhäusern von Saalburg und Saaldorf vorbeifahren lassen.

Weitere Informationen

Die Saale ist mit 413 Kilometern Länge nach der Moldau der zweitlängste Nebenfluss der Elbe. Sie entspringt im Fichtelgebirge in einer Höhe von fast 730 Metern und mündet bei knapp 50 Metern über dem Meeresspiegel bei Barby in die Elbe. Zuvor durchquert der im Unterschied zur Fränkischen Saale auch Sächsische Saale genannte Fluss Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Zwischen Harra und Saalfeld befinden sich fünf Talsperren. Die beiden größten sind die Bleiloch- und die Hohenwartetalsperre.

Die Bleilochtalsperre wurde zwischen 1926 und 1932 errichtet und ist mit 215  Millionen Kubikmetern Wasser der vom Fassungsvolumen größte Stausee Deutschlands (Rappbodetalsperre: 109  Millionen Kubikmeter).

Im Projekt Blaues Band sind touristische Angebote und Informationen auch zum Fahrradtoruismus ab der bayerisch-thüringische Grenze aufgelistet (www.blaues-band.de).
Auf bayerischer Seite hilft auch der Abenteuerladen Hof weiter (Tel.: 09281-1446244). Kurze Informationen zu drei weiteren Paddeltouren zwischen Saalfeld und Alsleben unter www.susi-ralf.de