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Friedhöfe der bayerischen Landeshauptstadt verwandeln sich in Freizeitparadiese Sonnenbad am Sarkophag: München will durchgreifen

Von Simon Book 14.07.2011, 04:32

Immer mehr Münchner verbringen ihre Freizeit auf dem Friedhof . Der Stadt wird das Treiben jetzt zu bunt.

München (dpa). Ihr perfekter Picknickplatz liegt zwischen drei Grabsteinen. Im Halbschatten einer großen Eiche auf dem Münchner Nordfriedhof haben drei junge Mütter ihre Decke ausgebreitet und die Tupperdosen geöffnet. Ein kleiner Junge klettert auf einen alten Grabstein, hält sich am Kreuz fest und springt mit einem Satz herunter. Ein paar Meter weiter spielt eine Gruppe der nahe gelegenen Kindertagesstätte.

Die Münchner Friedhöfe verwandeln sich zum Freizeitparadies – für Jogger, Radler, Sonnenanbeter und spielende Kinder. Und von Zeit zu Zeit wird die letzte Ruhestätte zum Partyplatz: "Wenn das Wetter schön ist, ist hier schwer was los. Ich habe schon Kindergeburtstage mit viel Tamtam gesehen. Nachts gibt es Partys. Dann finde ich Bierflaschen und Einweggrills", sagt Friedhofsgärtner Safet Jugovic.

Zwar liegt die letzte Beerdigung 68 Jahre zurück, doch entweiht ist der Nordfriedhof nicht. Manch ein Toter hat noch Angehörige, die sich um seine Ruhestätte kümmern. Viele Gräber werden noch gepflegt, und Angehörige fühlen sich von den Friedhofssportlern und Kurzurlaubern zunehmend gestört. So führt mancher Gang vom Grab direkt zur Behörde für Gesundheit und Umwelt.

Dort sitzt Joachim Lorenz, der zuständige Stadtrat. Bei ihm häufen sich die Beschwerden, nicht nur über den alten Nordfriedhof. "Auf dem Waldfriedhof finden große Familienpicknicks statt oder die Leute legen sich nackt in die Sonne. Beim Ostfriedhof haben wir das Problem mit den Joggern", sagt er. Mittwochs ist dieses Problem besonders groß. "Da ist bei uns Urnentag – alle halbe Stunde eine Beerdigung", sagt Rudolf Wimmer. Er verwaltet den Ostfriedhof, eine der größten Begräbnisstätten der Stadt. Statt den Weg des Trauerzuges zu planen, muss Wimmer immer wieder aufgebrachte Angehörige beruhigen. "Dann kommt eine Horde Jogger, lachend, schwitzend, quatschend und läuft mitten durch einen Trauerzug. Das ist extrem verstörend für die Angehörigen."

Stadtrat Lorenz glaubt, den Grund für die neue Nutzung zu kennen: "Alles wird inzwischen in Beschlag genommen, der gesamte öffentliche Raum." Beim Nordfriedhof komme hinzu, dass benachbarte Viertel zu den am dichtesten bebauten Gebieten der Stadt gehörten. "Das Zentrum ist unterversorgt mit Parks, deshalb gibt es den Nordfriedhof zur Erholung", sagt er.

Zusammen mit dem Bezirksausschuss startet er jetzt eine Kampagne: Flyer und Infotafeln sollen die Besucher über Verbote aufklären. Er hofft, dass sich das Problem damit lösen lässt. "Wenn das nicht hilft, müssen wir den Friedhof nachts schließen", sagt Lorenz.

Der Verwalter des Ostfriedhofs glaubt nicht an den Erfolg solch einer Kampagne: "Kein Mensch schaut auf Schilder und Aushänge", prophezeit Verwalter Rudolf Wimmer. Er will deshalb nun die Polizei um Hilfe bitten. Erste Gespräche habe er bereits geführt, sagt er. Eine eigene Friedhofsstreife sei zwar nicht möglich, aber vielleicht ein Aktionstag: "Einmal im Monat Kontrolle zur Abschreckung, das könnte sich bemerkbar machen."