Anschlag auf Weihnachtsmarkt U-Ausschuss zum Anschlag sieht sich in Arbeit behindert
Wie konnte der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt passieren? Der U-Ausschuss stößt wieder auf ein Zuständigkeiten-Wirrwarr. Während einige Zeugen bremsen, spricht eine Einsatzbeamtin offen.

Magdeburg - Im Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sind erneut mangelnde Koordinierung und unklare Zuständigkeiten Thema gewesen. Zudem sehen sich die Abgeordneten in ihrer Arbeit behindert, weil wiederholt Zeugen nicht in öffentlicher Sitzung aussagen wollten. Zudem berichtete eine am Tatabend als Gruppenführerin eingesetzte Polizistin von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen.Zur Absicherung des Magdeburger Weihnachtsmarkts hätten aus Sicht der Stadt Polizeifahrzeuge in größeren Lücken zwischen Betonsperren stehen sollen. Sie seien fester Bestandteil des Sicherheitskonzepts gewesen, berichtete der langjährige Ordnungsbeigeordnete der Stadt Magdeburg, Holger Platz, im Untersuchungsausschuss im Landtag in Magdeburg. Bis 2022 war er für die kommunale Sicherheit zuständig.
Auch der aktuelle Ordnungsbeigeordnete Ronni Krug erklärte, er verstehe unter den vorgesehenen mobilen Sperren solche Polizeiwagen. In einer persönlichen Erklärung sagte er: „Es gibt einen Schuldigen in dieser ganzen Sache, und das ist der Täter.“
Aber es gebe auch so etwas wie Verantwortung und die teilten sich aus seiner Sicht drei Institutionen: der Veranstalter, die Stadt und das Land in Form der Polizei. Es fehle immer noch an landesgesetzlichen Regelungen, die ausreichend Koordinierung böten.
Unklare Zuständigkeiten sind eines der Hauptprobleme
In einer Ausschusssitzung im Juni hatte die Polizei auf die Zuständigkeit des Veranstalters für den Schutz der Zufahrt verwiesen. Die Polizei hätte die Zuwege zum Magdeburger Weihnachtsmarkt mit mobilen Sperren nur geschlossen, wenn eine konkrete Gefahr bekannt gewesen wäre, erklärte eine Polizeibeamtin des Polizeireviers Magdeburg, die das Einsatzkonzept verfasst hatte. Voraussetzung wären demnach Hinweise auf eine geplante Tat in Magdeburg oder Angriffe in anderen Städten gewesen.
Eine Polizistin entschied selbstständig über Standort
Eine 29 Jahre alte Polizistin der Landesbereitschaft berichtete, dass sie selbstständig entschieden habe, den Polizeitransporter am 20. Dezember nicht genau an den Punkt abzustellen, der in einer abgestimmten Karte eingezeichnet war. Ihr sei es angesichts der vielen Fußgänger nicht möglich erschienen, von dort aus rechtzeitig den vorgesehenen Punkt zu sperren, ohne Personen in Gefahr zu bringen. Zudem hätten die Abgase des Einsatzfahrzeugs zu Belästigungen geführt. Sie habe ihre Entscheidung auch nicht an Vorgesetzte gemeldet.
Vom Punkt, den sie als Fahrzeugstandort wählte, sei die zu sperrende Stelle im Fall einer konkreten Gefahr schnell erreichbar gewesen. Offen blieb, wie der eine Transporter zwei vorhandene Lücken binnen kurzer Zeit hätte schließen sollen. Die 29-Jährige berichtete, wie sie noch einen Schatten des Tatfahrzeugs sah, Menschen wie Kegel umfielen und sie einen Funkspruch absetzte. Anschließend habe sie mit ihren Kollegen bis weit in die Nacht den Rettungsdienst unterstützt.
Größere Lücken zwischen Betonsperren auf Wunsch der Feuerwehr
Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 2016 seien schnell die jeweils 1,7 Tonnen schweren Betonelemente beschafft worden, so Platz. In zwei Zugangsbereichen seien auf Wunsch der Feuerwehr Lücken gelassen worden, um die Zufahrt bei Einsätzen zu gewährleisten.
Polizeifahrzeuge seien vorgesehen gewesen, um die Lücken abzusichern. Er sei immer davon ausgegangen, dass die Bullis in den Lücken stünden und eine physische Barriere darstellten und zugleich der Abschreckung dienten, so Platz. Einsatzprotokollen habe er entnommen, dass die Polizei diese Aufgabe auch wirklich angenommen habe.
Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren. Dabei wurden 6 Menschen getötet und über 300 weitere verletzt.
2024 Fokus auf mögliche Messerangriffe
Magdeburgs Ordnungsbeigeordneter Krug sagte, ihm seinen für 2023 und 2024 keine Forderungen nach Veränderungen am Sicherheitskonzept bekanntgeworden. 2024 sei es verstärkt um das Thema Messerangriffe gegangen nach einer solchen Attacke in Solingen, sagte Krug. Eine geplante Reduzierung der Security-Kräfte sei daraufhin nicht umgesetzt worden.
Krug sagte, bei der Aufstellung der Betonsperren seien keine Bediensteten der Stadt dabei gewesen, um etwa die korrekte Positionierung zu kontrollieren. Er habe jetzt inzwischen angeordnet, dass das immer der Fall sein müsse.
Ausschuss bricht Zeugenvernehmung ab
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sieht sich wiederholt vom Innenministerium ausgebremst. Die Abgeordneten brachen am Nachmittag die Zeugenvernehmung eines Landeskriminalamt-Mitarbeiters (LKA) ab, nachdem er gebeten hatte, einen Großteil seiner Aussagen in nicht öffentlicher Sitzung machen zu wollen. Eine geplante Anhörung von LKA-Direktorin Birgit Specht wurde gar nicht erst begonnen.
LKA-Chefin und Mitarbeiter werden erneut geladen
Die Ausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (CDU) sagte, beide sollten für den kommenden Freitag erneut geladen werden. Der Ausschuss erwarte vom Innenministerium, dass bis dahin geklärt sei, was genau in öffentlicher Sitzung behandelt werden könne.