Proteste am Standort Bremen „Stahl hat Zukunft“? Kundgebung auf Bremer Hütte
In Bremen wehren sich mehr als 1.000 Beschäftigte gegen das Aus für „grünen Stahl“. Was sie vom Konzern und der Politik fordern.

Bremen - In Bremen wächst der Widerstand gegen den Stopp des „grünen Stahls“: Mehr als 1.000 Beschäftigte haben gegen den Entschluss des Stahlkonzerns ArcelorMittal protestiert. „Diese Entscheidung hat bei vielen von uns für Unsicherheit, für Sorgen und auch für Wut gesorgt“, sagte Stahlbauschlosser Murat Develioglu bei der Versammlung des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall. „Wir zeigen hier heute, dass wir nicht jede Entscheidung des Konzerns geräuschlos hinnehmen.“
Entscheidung des Konzerns ist „Klatsche“ ins Gesicht
Aus Sicht der Geschäftsführerin der IG Metall Bremen ist der Umbau des Bremer Stahlwerks alternativlos. „Grüner Stahl ist unsere Zukunft, sonst werden wir das nicht überleben“, betonte Ute Buggeln. „Und jetzt zu sagen: Wir müssen alle mal abwarten - das ist die Klatsche für euch ins Gesicht.“ Der Konzern verspiele das Vertrauen der Belegschaft. Im Bremer Werk arbeiten mehr als 3.500 Beschäftigte, mit Zulieferern hängen 10.000 Arbeitsplätze in der Region von der Hütte ab.
„Wir kämpfen seit Jahren, dass die Politik Bedingungen schafft, unter denen die Stahlbranche wettbewerbsfähig produzieren kann. Und wir kämpfen seit Jahren dafür, dass dieser Konzern sich klar und deutlich zu grünem Stahl ausspricht und danach auch handelt“, sagte Buggeln. „Beides haben wir noch nicht erreicht.“
ArcelorMittal stoppt Pläne für „grünen Stahl“
ArcelorMittal hatte vergangene Woche mitgeteilt, die Umstellung auf „grüne“ Stahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt in Brandenburg nicht weiterzuverfolgen. Gemeint ist der Umstieg von Kohle als Energiequelle auf Wasserstoff, der künftig aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarstrom gewonnen wird. Mit seiner Entscheidung verzichtet der Konzern auf mehr als eine Milliarde staatliche Fördergelder.
Für die Landes- und Bundespolitik ist der Entschluss ein Rückschlag beim Umbau der Industrie. Die Stahlbranche ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland, ihr Umbau spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Das Stahlwerk ist derzeit für die Hälfte der CO2-Emissionen in Bremen verantwortlich.
Bovenschulte setzt sich für Stahlgipfel ein
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte kritisierte den Entschluss des Stahlkonzerns. „Ich bin tief enttäuscht und stinksauer“, sagte der SPD-Politiker der Belegschaft. Die Beschäftigten und die Politik hätten lange für den Umbau des Stahlwerks gekämpft.
Der Senat werde auch in Zukunft nicht locker lassen, versprach Bovenschulte. „Denn seit 100 Jahren wird in Bremen Stahl produziert und seit 100 Jahren steht die Landesregierung in guten und in schlechten Zeiten fest an der Seite der Beschäftigten.“
Er unterstütze den Vorschlag von Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) für einen Stahlgipfel. „Wir brauchen ein Bekenntnis - nicht nur der Bremer Politik und nicht nur des Bremer Standortes, sondern der bundesdeutschen Politik zur Stahlindustrie“, betonte Bovenschulte.
Betriebsrat fordert Perspektive für die Hütte
Betriebsratsvorsitzende Mike Böhlken ist skeptisch. „Ich habe keine Zeit für solche Veranstaltungen, wo man sich nur im Endeffekt die Hand gibt und danach wegfährt und es passiert nichts“, meinte der Metaller. „Das habe ich in den letzten Jahren erlebt und dementsprechend müssen wir jetzt zusehen, dass wir einen vernünftigen Plan ausstellen.“
Die Politik müsse endlich für wettbewerbsfähige Strompreise und ausreichend Wasserstoff sorgen, fordert der Betriebsratsvorsitzende. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werde der Konzern die Pläne für „grünen Stahl“ in Bremen wieder aufnehmen. „Wir müssen weiter dafür kämpfen“, sagte Böhlken und wendet sich direkt an die Belegschaft: „Stahl hat Zukunft!“, ruft er in die Menge. Ein Arbeiter seufzt. „Ja, aber nicht hier“, sagt er leise und wendet sich ab.