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Eurovision Song Contest Wirbel um die vielen Stimmen für Israel beim ESC

Der Eurovision Song Contest ist vorbei, doch die Debatte um Israel bleibt: Kann das mit den Punkten so hinkommen? Die Veranstalter beruhigen und scheinen dennoch Regeländerungen in Betracht zu ziehen.

Von Christiane Oelrich und Christof Bock, dpa Aktualisiert: 20.05.2025, 14:12
Yuval Raphael singt ihren Titel „New Day Will Rise“.
Yuval Raphael singt ihren Titel „New Day Will Rise“. Jens Büttner/dpa

Basel/Genf - Die auffällig vielen Publikumspunkte für Israel beim Eurovision Song Contest bringen die Veranstalter offensichtlich in Erklärungsnot. Mehrere Sender hätten sich wegen der Punktvergabe gemeldet, teilte die Europäische Rundfunkunion (EBU) in Genf mit. „Wir sind in stetigem Austausch mit allen teilnehmenden Sendern des Eurovision Song Contest und nehmen ihre Bedenken ernst“, zitierte sie ESC-Direktor Martin Green. 

„Jetzt, da die Veranstaltung vorbei ist, werden wir umfangreiche Diskussionen mit den teilnehmenden Sendern führen, über alle Aspekte des diesjährigen Wettbewerbs nachdenken und Feedback sammeln. Das wird in die Planungen des 70. ESC im kommenden Jahr einfließen“, sagte Green weiter.

Mehrere beteiligte Fernsehsender hatten die Stimmabgabe beim Event in Basel am Samstagabend infrage gestellt. Die spanische Anstalt RTVE kündigte einen Antrag auf Überprüfung des Televotings an: „Mehrere Länder werden ebenfalls denselben Antrag stellen, da sie der Ansicht sind, dass das Televoting durch die aktuellen militärischen Konflikte beeinflusst wurde und dies den kulturellen Charakter der Veranstaltung gefährden könnte.“

Bei der Abstimmung über den ESC-Sieg fließen gleichberechtigt die Stimmen des Publikums und die Stimmen von Fachjurys ein. Die Jurys bestehen aus Musikern, Produzenten und anderen Branchenexperten. Dieses Jahr gab es eine auffällige Kluft dazwischen, was Fachleute und Zuschauer von dem israelischen Lied hielten.

Yuval Raphael ist eine Überlebende vom 7. Oktober

Israel hatte Yuval Raphael zum ESC geschickt. Sie ist eine Überlebende des Massakers der islamistischen Hamas und weiterer Terrorgruppen vom 7. Oktober 2023. Wegen des Gazakriegs, den Israel nach den Anschlägen begonnen hat, gab es immer wieder Proteste gegen die Teilnahme Israels am ESC. 

Raphael erhielt beim Finale für den Song „New Day Will Rise“ 60 Punkte von den Fachjurys der 37 teilnehmenden Länder und landete damit im Ranking nur auf Platz 15, hinter Deutschland (Platz 13). 

In der Gunst des Publikums stand die 24-Jährige aber laut Messung mit großem Abstand auf dem ersten Platz. Sie erhielt insgesamt 297 Publikumspunkte, was sie in der Gesamtwertung auf Platz zwei katapultierte. 

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Jurys und Publikum auseinander liegen. Doch nur selten fällt die Lücke so deutlich aus. Zum Vergleich: ESC-Sieger JJ aus Österreich erhielt 258 Punkte von den Jurys und 178 Punkte vom Publikum. Bei Deutschland waren es 74 Publikums- und 77 Jury-Punkte. Das reichte für Platz 15. 

Die EBU verweist auf die Firma Once in Köln, die seit Jahren das Televoting für den ESC koordiniert. Sie habe bestätigt, dass die Abstimmungsergebnisse aus allen Ländern korrekt angegeben worden seien.

Das Abstimmungsverfahren für den ESC sei „das fortschrittlichste der Welt“, so ESC-Direktor Green. Alles werde geprüft und verifiziert, „um verdächtige oder unregelmäßige Abstimmungsmuster auszuschließen.“ Once habe die Gültigkeit bestätigt.

Ist das derzeitige Abstimmungssystem fair?

Der belgische öffentlich-rechtliche Sender VRT stellte seine künftige ESC-Teilnahme infrage. Es lägen zwar keine Hinweise darauf vor, dass die Stimmenauszählung nicht korrekt durchgeführt wurde, so VRT. Aber die Frage sei, „ob das derzeitige Abstimmungssystem ein faires Abbild der Meinungen der Zuschauer und Zuhörer garantiert“.

Unter anderem hatte der Israeli American Council über Facebook um Stimmen für Raphael geworben. „Sie singt für uns alle“, hieß es da. Neben den Publikumsbewertungen aus den teilnehmenden Ländern gab es auch eine Rubrik „Rest of the World“, in der Menschen in allen Nicht-ESC-Nationen abstimmen konnten. „Rest of the World“ zählte wie das Ergebnis eines Landes.

Kompliziertes Punktesystem 

Beim Publikumsvotum erhält der Song, der in einem Land die meisten Stimmen bekam, zwölf Punkte, der nächste zehn und die folgenden acht Songs bekommen Punkte von acht bis eins. 

Auf dem offiziellen EBU-Kanal für den ESC war die israelische Sängerin vor dem Finale in den aufgezeichneten Halbfinal-Sendungen immer wieder in einem Werbefenster zu sehen, mit dem Aufruf, für sie zu stimmen. Kein anderer Interpret war in Werbefenstern vertreten, dort lief sonst nur Reklame etwa für Fast Food und Internetdienste. Seit dem Ende des Wettbewerbs sind die Spots mit Raphael in den Aufzeichnungen nicht mehr zu sehen. Dazu sagt die EBU auf Anfrage, solche Werbung sei nach den ESC-Regeln nicht verboten. 

Auf dem Papier ist der ESC eine völlig unpolitische Veranstaltung, in der es nur um Spaß, Völkerverständigung und den besten Auftritt geht. In Wirklichkeit spielen Ressentiments, Sympathien und kulturelle Nähe beim Voting des Publikums erfahrungsgemäß aber eine offenkundig gewichtige Rolle.