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Jahrestag 7. Oktober Tausende demonstrieren in Berlin - Stein- und Flaschenwürfe

Zum Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel gibt es in Berlin mehrere Tage hintereinander Proteste und Gedenkveranstaltungen. Emotionen kochen schnell hoch. Es kommt zu Tumulten und Festnahmen.

Von dpa Aktualisiert: 06.10.2024, 20:05
Proisraelische Demonstration am Brandenburger Tor.
Proisraelische Demonstration am Brandenburger Tor. Joerg Carstensen/dpa

Berlin - Bei Kundgebungen und Demonstrationen haben in Berlin Tausende Menschen bereits vor dem Jahrestag am 7. Oktober an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg erinnert. Den größten Zulauf hatten dabei propalästinensische Proteste, bei denen die Stimmung aufgeheizt war. Die Polizei beendete eine Demonstration in Kreuzberg vorzeitig nach Stein- und Flaschenwürfen. 

Schwerpunkt der Proteste in Deutschland dürfte nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Berlin sein. In der Hauptstadt begleiteten bereits am Wochenende insgesamt rund 1.100 Polizisten Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen.

Demonstration beendet nach Stein- und Flaschenwürfen 

In Berlin kam es Sonntagabend zu Tumulten und zahlreichen Festnahmen bei einem propalästinensischen Protestzug mit dem Titel „Demo gegen Genozid in Gaza“. Etwa 3.500 Menschen - mehr als dreimal so viel wie angekündigt - versammelten sich laut Polizei in Kreuzberg. Sie liefen vom Kottbusser Tor bis zur Lenaustraße an der Grenze zu Neukölln. Ursprünglich war die Route bis zur arabisch geprägten Sonnenallee in Neukölln geplant. 

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer trugen sogenannte Palästinensertücher und schwenkten palästinensische Fahnen. Auf Transparenten war häufig zu lesen „Stopp the Genocide“ (Stoppt den Völkermord). Zu den Demonstranten gehörten Mitglieder der linksradikalen Antifa-Bewegung ebenso wie der kommunistischen DKP oder der Revolutionären Kommunistische Partei RKP. 

Zahlreiche Festnahmen 

Die Stimmung war aufgeheizt wie schon am Samstag bei einer Pro-Palästina-Demo. Schon zu Beginn sei sie Situation „sehr turbulent“ gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Später beruhigte sich die Lage etwas. Die Polizei schritt aber immer wieder ein, und Demonstranten wurden festgenommen - teils, weil Polizisten Straftäter wiedererkannt hatten, wie die Sprecherin sagte. Teils wegen verbotener Parolen oder Symbolen.

Am Abend kam es schließlich zu Tumulten mit Stein- und Flaschenwürfen auf Polizisten. Demonstranten versuchten, eine Polizeikette zu durchbrechen, Böller wurden gezündet. Mehrere Menschen wurden festgenommen, wie eine Polizeisprecherin sagte. „Aufgrund der Unfriedlichkeiten wurde die Versammlung abgebrochen“, erklärte sie. 

Die Demonstranten wurden von der Polizei über Lautsprecher informiert: „Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet.“ Als Grund dafür wurden Straftaten aus der Versammlung heraus genannt. Viele Demonstranten blieben jedoch vor Ort und skandierten immer wieder „Viva viva Palästina“ oder „Free, free Palestine“. Auch polizeifeindliche Parolen wurden gerufen. Die Polizei forderte die Menschen immer wieder auf, den Bereich rund um das Kottbusser Tor zu verlassen. 

 

 

Große Israel-Fahne am Brandenburger Tor 

Auch zu einer proisraelischen Demonstration versammelten sich zahlreiche Menschen. Am Brandenburger Tor breiteten sie eine große Israel-Flagge vor dem Berliner Wahrzeichen aus. Bei der Kundgebung mit dem Titel „Gemeinsam gegen das Verbrechen der Hamas an Israelis und Palästinensern. Für die Freilassung der Geiseln und das Ende der Hamas Herrschaft in Gaza.“ zogen laut Polizei etwa 500 Menschen zum Bebelplatz. Dieser ist symbolisch wieder zum „Platz der Hamas-Geiseln“ geworden. Unter anderem erinnern dort leere Stühlen an die Opfer. 

Neben den Kundgebungen sind in der Stadt bis zum Abend Gebete und Mahnwachen geplant, beispielsweise vor der Kreuzberger Synagoge am Fraenkelufer. 

 

Vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg, in dem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 42.000 Palästinenser getötet wurden, etwa ein Drittel davon Kinder und Jugendliche.

Zentralrat sieht Gefahren für jüdisches Leben 

Der Zentralrat der Juden sieht ein Jahr danach erhebliche Gefahren für jüdisches Leben in Deutschland. „Die Hemmschwelle, zu Gewalt gegen Juden aufzurufen und auch auszuüben, sinkt“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. „Es gebe eine „anhaltende Explosion antisemitischer Taten“ und einen „Mechanismus des Hasses“, warnte Schuster. Am häufigsten sei Israel-bezogener Antisemitismus. Anti-Zionismus sei als Schlachtruf wieder salonfähig geworden.

Knapp 3.200 Verfahren bei Staatsanwaltschaft

Allein die Berliner Staatsanwaltschaft hat binnen eines Jahres knapp 3.200 Verfahren im Kontext mit dem Gaza-Krieg erfasst. In 1.070 Fällen (Stand: 4. Oktober) geht es dabei um Straftaten bei Demonstrationen zu dem Nahost-Konflikt, wie ein Behördensprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Bei der Berliner Polizei sind nach seinen Angaben weitere rund 5.300 Fälle (Stand: 10. September), von denen noch etliche bei der Staatsanwaltschaft landen dürften. 

Großeinsatz der Polizei am Jahrestag in Berlin 

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte für den Fall antisemitischer Äußerungen bei Versammlungen anlässlich des Jahrestages zum 7. Oktober ein hartes Durchgreifen an. Berliner Polizisten und Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern sowie die Bundespolizei würden Straftaten mit aller Konsequenz verfolgen, sagte Spranger. Die Polizeikräfte hätten dafür ihre volle Rückendeckung, hatte zuvor auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betont.

Am Montag, dem Jahrestag selbst, werden laut Polizei rund 2.000 Beamten im Einsatz sein. Es sind mehrere Gedenkveranstaltungen und Proteste angekündigt. 

49 Festnahmen bei Demonstrationen 

Bei Versammlungen am Samstag im Kontext mit dem Gaza-Krieg gab es nach Angaben der Polizei 49 kurzzeitige Festnahmen. So war es bei einer proisraelischen Kundgebung in Berlin-Mitte zu Rangeleien gekommen, als eine 40-köpfige Gruppe versuchte, in den Protestzug zu drängen. Polizisten seien eingeschritten, so ein Polizeisprecher. 26 Menschen aus dem propalästinensischen Lager seien festgenommen worden, gegen sie werde wegen Landfriedensbruch ermittelt. 

Weitere Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten gab es am Abend, als eine Pro-Palästina-Kundgebung am Checkpoint Charlie vorzeitig beendet wurde. Kurz zuvor versuchten Teilnehmer, eine israelische Touristin in die Menge hineinzuziehen. Nach Polizeiangaben war die Frau in Begleitung ihres Vaters. Beide wurden laut Polizei bei der Attacke leicht verletzt. Vier Verdächtige seien festgenommen worden.