Landgericht Berlin Tödliche Messerattacke im Clan-Milieu: Prozess beginnt
Auf dem Volksfest „Neuköllner Maientage“ in der Hasenheide wird ein Mann niedergestochen und stirbt im Krankenhaus. Knapp ein Jahr später stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht. Es gibt einen weiteren Verdächtigen.

Berlin - Der 25-Jährige steht auf dem Berliner Volksfest „Neuköllner Maientage“ im Park Hasenheide an einem Boxstand, als er attackiert wird. Mindestens zehn Messerstiche treffen ihn von hinten, wie es in der Anklage heißt. Der Mann aus dem Berliner Milieu arabischstämmiger Clans stirbt später im Krankenhaus. Knapp ein Jahr später hat am Donnerstag vor dem Landgericht Berlin der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter begonnen. Hauptangeklagter ist ein 21-Jähriger. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft heimtückischen Mord vor. Komplize soll ein 20-Jähriger sein. Er ist angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei.
Vorausgegangen sein soll der Tat am 30. April 2022 eine Rangelei. Mehr ist zu den Hintergründen bislang öffentlich nicht bekannt. Laut Anklage sollen die beiden deutschen Staatsangehörigen jedoch zusammen mit einem weiteren Verdächtigen kurz zuvor den Entschluss gefasst haben, den 25-Jährigen zu töten. Dabei hätten sie „die auf der Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Geschädigten“ ausnutzen wollen.
Gemeinsam mit dem flüchtigen weiteren Verdächtigen soll der 21-Jährige dann kurz nach 23.00 Uhr auf den Mann eingestochen haben. Der heute 20-Jährige soll das Opfer mit der Faust geschlagen haben, damit es sich nicht wehren kann. Um das Eingreifen anderer Besucher des Volksfestes zu verhindern, soll ein unbekannter Beteiligter Pfefferspray versprüht haben. Das Opfer erlitt mehrere Stiche in der Brust, wobei beide Lungen verletzt wurden. Tödlich war laut Anklage ein Stich ins Herz.
Die Angeklagten schwiegen zunächst zu den Vorwürfen. „Mein Mandant bestreitet den Vorwurf mit aller Entschiedenheit“, erklärte der Verteidiger des Jüngeren. Er kündigte dessen Aussage für den nächsten Prozesstag an, der am 4. Mai geplant ist. Der 20-Jährige ist auf freiem Fuß.
Der Hauptangeklagte war im Dezember 2022 am Flughafen nach monatelanger Fahndung verhaftet worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Sein Mandant habe sich freiwillig dem Verfahren gestellt, betonte sein Verteidiger. Zunächst werde sich der 21-Jährige aber nicht zu den Vorwürfen äußern.
Da beide Angeklagte zum Tatzeitpunkt Heranwachsende waren, ist eine Jugendkammer des Landgerichts Berlin für den Fall zuständig. Für den Prozess gelten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Bislang sind 30 weitere Verhandlungstage bis zum 16. November geplant. Bruder und Mutter des Getöteten treten im Prozess als Nebenkläger auf.
Um sich ein Bild von der Situation am Tatort zu machen, wie der Vorsitzende Richter Marc Spitzkatz sagte, wurden zum Prozessauftakt zunächst Polizisten gehört. Auf dem Kirmes-Gelände habe damals „sehr großes Chaos“ geherrscht, schilderte ein Polizist, der zu den ersten von Dutzenden Einsatzkräften vor Ort gehörte. Die Polizei habe das Gebiet großräumig abgesperrt. Es seien sehr viele Familienmitglieder zur Hasenheide gekommen. „Polizeikräfte mussten eine Kette bilden, um diese abzuhalten“, schilderte der 27-Jährige.
Zahlreiche Familienangehörige und Bekannte des Opfers versammelten sich später auch vor dem Krankenhaus Neukölln. Diese verhielten sich nach damaligen Angaben der Polizei „hoch emotional und von Trauer geprägt“. Die Polizei wurde damals gerufen, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen.
Bei dem Getöteten handelt es sich um einen Bruder von Nidal R., der im Herbst 2018 vor den Augen seiner Familie auf dem Tempelhofer Feld erschossen worden war. Er war der Polizei als Wiederholungstäter mit Beziehungen zu arabischstämmigen Clans bekannt. Bislang konnte die Polizei in diesem Fall keinen Täter verhaften.