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Streit zwischen Großfamilien Tumult im Gerichtssaal nach Urteil wegen Mordes

Lebenslange Haft wegen Mordes - so lautet das Urteil nach einem eskalierten Streit zweier Großfamilien in Stade. Die Fehde wurde im Gerichtssaal fortgesetzt. Beamte mussten Pfefferspray einsetzen.

Von dpa Aktualisiert: 22.08.2025, 17:03
Nach der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zu versuchten Übergriffen von Mitgliedern der Opferfamilie auf die Familie des Angeklagten.
Nach der Urteilsverkündung kam es im Gerichtssaal zu versuchten Übergriffen von Mitgliedern der Opferfamilie auf die Familie des Angeklagten. Sina Schuldt/dpa-Pool/dpa

Stade - Er stieß seinem Opfer im Beisein von Polizisten auf offener Straße von hinten ein Messer in den Kopf - nun ist ein 35-Jähriger wegen heimtückischen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Stade sah es als erwiesen an, dass der Mann im März 2024 aus Wut ein Mitglied einer verfeindeten Großfamilie brutal attackierte. Das 35-jährige Opfer sei zum Tatzeitpunkt unbewaffnet und arglos gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Erik Paarmann. Das Opfer starb einen Tag später. 

Der Tat vorausgegangen waren Streitigkeiten zwischen den beiden Großfamilien wegen konkurrierender Shisha-Shops in Stade und Buchholz. Immer wieder seien die Familien aneinander geraten. 

So war es auch am Tattag: Unmittelbar vor dem Mord in der Stader Innenstadt war es zu einem gewalttätigen Angriff der Familie des späteren Opfers auf ein Geschäft der Familie des Angeklagten gekommen. Daraufhin sei der Angeklagte - ein Deutscher - mit Schlagstock in der Hand und anderen Familienmitgliedern durch Stade gezogen, um die Gegner zu stellen. 

„Aus zweifelhaftem Ehrverständnis heraus gehandelt“

Der Mord stehe in Zusammenhang mit einer gefühlten „Respektlosigkeit und den wirtschaftlichen Interessen der eigenen Familie“, so Paarmann. Der Mord habe sich „auch aus einem zweifelhaften Ehrverständnis heraus“ entwickelt. 

Nach dem Urteilsspruch kam es im Gerichtssaal trotz hoher Sicherheitsmaßnahmen zu einem heftigen Tumult. Mitglieder der Familie des Opfers gingen lautstark auf Angehörige des Angeklagten los, die ebenfalls die Verhandlung verfolgt hatten. 

Mit Kletteraktionen und Tritten gegen die Sicherheitsscheibe, die den Zuschauer- vom Richterbereich trennte, versuchten Zuschauer, zum Angeklagten zu gelangen. Ein Bruder des Opfers, der als Nebenkläger im Gerichtssaal war, sprintete dem Angeklagten nach, als dieser abgeführt wurde. Beamte setzen Pfefferspray ein, um zu deeskalieren. „Das wird für die Beteiligten ein rechtliches Nachspiel haben“, sagte eine Gerichtssprecherin. Eine solche Eskalation habe sie noch nie erlebt. 

Verteidigung kündigt Revision an

Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte an, Revision einzulegen. Sie hatte auf Freispruch plädiert, weil sie von Nothilfe ausgeht. Demnach habe der Angeklagte seinem Bruder zu Hilfe kommen wollen, der von Mitgliedern der anderen Großfamilie attackiert worden sei. 

Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht. Videoaufnahmen würden zeigen, dass das Opfer kurz vor der Tat nicht in die Auseinandersetzung involviert gewesen sei. Er habe abseits an der Seite eines Streifenwagens gestanden. Polizeibeamte hatten versucht, die Situation zu schlichten. Dass der Angreifer nach eigener Aussage nur die Schulter seines Opfers habe treffen wollen, sei nicht glaubhaft, so der Vorsitzende Richter. Nach der Tat floh der Angeklagte, er wurde später festgenommen.

Angeklagter zeigt am Ende Reue

Der Angeklagte sagte kurz vor der Urteilsverkündung, dass ihm die Tat leidtue. „Ich kann mich mit der Tat nicht identifizieren“, sagte er am 35. Prozesstag. Er dankte seinen Verteidigern, dass sie ihm trotz „Bedrohungslage“ zur Seite gestanden hätten. Die Verteidiger hatten während des Prozesses berichtet, dass sie von der Opferfamilie bedroht worden seien.