Prozess gegen Staatsanwalt Vor Razzia gewarnt? - Drogenhändler mit Erinnerungslücken
Über Monate soll ein Staatsanwalt Behörden-Interna durchgesteckt und dafür quasi ein zweites Gehalt von einer Kokain-Bande erhalten haben. Die Zeugen in der Verhandlung sind wenig auskunftsfreudig.

Hannover - Im Korruptions-Prozess gegen einen Staatsanwalt, der Geschäfte mit der Kokain-Mafia gemacht haben soll, sind mehrere Sprachnachrichten von einem Mitglied der Drogenbande abgespielt worden. Darin ging es unter anderem um die Warnung vor einer Razzia. Als Zeuge im Landgericht Hannover sollte ein inzwischen verurteilter Rauschgifthändler zu den Aussagen Stellung nehmen. Der 42-Jährige sagte: „Ich kann mich an gar nichts von diesen Nachrichten erinnern. Alles andere wäre gelogen.“
Den angeklagten Staatsanwalt kenne er nur aus seiner eigenen Verhandlung, er habe ihn vorher nicht getroffen, sagte der Zeuge, der Anfang 2022 in Hannover zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde. Vertreter der Staatsanwaltschaft war damals der seit Ende Oktober in Untersuchungshaft sitzende Jurist.
Dem 39-Jährigen wird vorgeworfen, zwischen Juni 2020 und März 2021 gegen Geld Interna aus Ermittlungsverfahren verraten und die Bande vor einer Razzia gewarnt zu haben. Viele Verdächtige - darunter die mutmaßlichen Bosse - setzten sich ins Ausland ab. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Angeklagter: Bin nicht die Person in den Chats
Die Sprachnachrichten weisen auf einen Informanten in den Behörden hin. Die Rede ist von entschlüsselten Encro-Namen. Encro-Chat war ein Anbieter von Kryptohandys, die Kriminelle benutzten. Weitere Inhalte werde er in einer Woche bekommen, sagt der Drogenhändler in den Chats. „Er hat gesagt, dass diese Inhalte in Deutschland vor Gericht verwertet werden dürfen.“ Mit „er“ ist hier nach Überzeugung der Ermittler der angeklagte Staatsanwalt gemeint.
Dieser beteuert, dass nicht er die Person in den Chats der Drogenhändler sei. Der „Maulwurf“, also das Leck, sei in den Reihen der Polizei zu suchen.
Die Zeugenvernehmung einer 27-Jährigen, die im Tatzeitraum mit dem Staatsanwalt liiert war, wurde auf Antrag der Verteidigung unterbrochen. Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung gegen die Frau führt und ihre Anwältin bisher nicht vollständig Akteneinsicht erhalten hat. Der mutmaßlich korrupte Jurist soll auch ihr Fotos von Akten geschickt haben.
Zeugin soll im Kampfsportstudio trainiert haben
Die heute 27-Jährige soll Mitglied in dem Kampfsportstudio gewesen sein, wo oftmals Bestechungsgelder übergeben worden sein sollen. Wegen Beihilfe zur Bestechung ist ein 41 Jahre alter Trainer des Studios mitangeklagt. In zwölf Fällen soll er als Mittelsmann der Kokain-Bosse die monatlich vereinbarten 5.000 Euro in bar dem Staatsanwalt überreicht haben.
Konkret werden dem Juristen 14 Fälle von besonders schwerer Bestechlichkeit zur Last gelegt. Zudem ist er wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt angeklagt.