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Pole Dance etabliert sich als neuer Fitnesstrend Wenn der Bürohengst an der Stange tanzt

Von David Fischer 20.09.2012, 03:15

Er gilt als sexy, anrüchig und war lange Zeit nur in Strip-Clubs vertreten: der Stangentanz. Das hat sich geändert. In den Fitnessclubs der USA etabliert, wird Pole Dance auch in Deutschland beliebter. Sogar Männer legen mittlerweile an der Stange Hand an.

Tübingen (dpa) l Er scheint sich im Kurs geirrt zu haben: Leiterin Julia Wahl grätscht ihre Beine geschmeidig zum Spagat, daneben schimpft die 24-jährige Kristina Abbaci bei Aufwärmübungen über "übelsten Muskelkater". Eine Gymnastikmatte weiter begutachtet das ehemalige Funkenmariechen Ariane Streißenberger ihre blauen Flecken vom letzten Training. Mittendrin, in der Tanzschule "Polemotions" in Tübingen, schwitzt Peter Schmand beim neuen Trendsport, dem Pole Dance.

Der 53-jährige Elektroingenieur spielt Klavier, fliegt beim Tango übers Parkett und betreibt seit kurzem ein für Männer eher ungewöhnliches Hobby: Er tanzt an der Stange. "Im Schulsport hatte ich beim Turnen immer eine Eins, jetzt bin ich ein Schreibtischhengst geworden", sagt Schmand. Um Schultern, Brust, Rücken und Arme zu trainieren, besucht er wöchentlich Wahls Trainingsraum - der eigentlich nichts anderes ist als ein umfunktioniertes Wohnzimmer mit zwei Alu-Stangen in der Mitte.

Pole Dance ist eine schweißtreibende Kreuzung aus Kraftsport, Akrobatik, Turnen und Tanzen. Seit mehreren Jahren in Australien oder Großbritannien beliebt, ist der Fitnesstrend nun nach Deutschland übergeschwappt. Die Zähne zusammenbeißen ist angesagt beim Klettern, Sitzen und Drehen an der Stange, bei Figuren, die "Back knee hook" heißen und manchem Neuling die Beine verknoten.

Links nach innen, rechtes Bein ausstrecken, in die Kniekehle knicken und um die Stange schwingen, all das in einer fließenden Bewegung - so lautet eine der Anweisungen. "Manche wollen möglichst viele Tricks können, manche sehen es als Fitnesstraining oder wollen richtig an der Stange tanzen können", sagt Lehrerin Wahl.

An diesem Tag versucht sich Schmand als Erster. "Einmal herum komm ich schon." Sagt\'s, spannt die Muskeln an, packt zu und hievt die Beine hoch. Der Bizeps zittert, ein paar Strähnen kleben an der Stirn, und unter dem schwarzen T-Shirt blitzt ein Männerbauch hervor. Der 53-Jährige verharrt zwei Sekunden in Position, dann saust er plötzlich wie an einer Feuerwehrstange das Gerät hinunter und plumpst auf den Boden. "Hier wird\'s Hornhaut geben", sagt er. "Man braucht Muskeln, ein gutes Körpergefühl und Geduld, denn die Haut muss sich erst einmal daran gewöhnen", sagt Wahl.

Muskeln hin, straffe Haut her: Wer den Akrobatiktanz betreibt, braucht eine Menge Selbstbewusstsein. Vor allem als Mann. "Dass ich das mache, findet mein Chef lächerlich, aber die jungen Kolleginnen sind begeistert", sagt Schmand. Er will sich auch künftig nicht abhalten lassen - und schmiedet Pläne. "Ich kann mir vorstellen, als Pole Dancer etwas dazuzuverdienen, wenn ich Sechzig bin", sagt er. Seine ausgefallene Idee: Den Tango an der Stange zu tanzen.