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Neue Geschäfte Wie Thüringenforst künftig mit Energie Geld verdienen will

Weniger Holzertrag, mehr Finanzbedarf: Thüringenforst soll mit Wind- und Blockheizkraftwerken neue Einnahmequellen erschließen. Was die Gesetzespläne dafür vorsehen.

Von Stefan Hantzschmann, dpa 16.11.2025, 04:00
Die Landesforstanstalt Thüringenforst will sich neue Geschäftsfelder im Energiebereich erschließen. (Symbolbild)
Die Landesforstanstalt Thüringenforst will sich neue Geschäftsfelder im Energiebereich erschließen. (Symbolbild) Martin Schutt/dpa

Erfurt - Borkenkäferschäden, Dürre und ein großangelegter Waldumbau gehen ins Geld: Thüringenforst sucht nach neuen Einnahmequellen und nimmt Geschäfte mit Energie in den Blick. Die Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD will dazu zwei Gesetze anpassen - nicht ohne Schmerzen.

Denn gerade die CDU hatte jahrelang Wahlkampf gegen Windräder im Wald gemacht, bis das Bundesverfassungsgericht ein Verbot kippte. Nun soll Thüringenforst auch an Windkraftanlagen in Waldgebieten verdienen können und in dem Geschäftsfeld mitmischen dürfen. „Wir wollen Thüringenforst neue Einnahmen ermöglichen, gerade auch für den Umbau des geschädigten Waldes“, sagte Thüringens Forstminister Tilo Kummer (BSW) der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.

Was ist geplant?

Mit einer Gesetzesänderung soll der Landesforstanstalt die Möglichkeit gegeben werden, mit der Erzeugung erneuerbarer Energien Geld zu verdienen. Dazu zählt auch der Betrieb von Windkraftanlagen, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, der bereits im Landtag beraten wurde. Konkret geht es um eine rechtliche Klarstellung. Das Parlament muss noch zustimmen, bis dahin sind noch Änderungen möglich. In der Praxis könnte es eher auf Verpachtung von Flächen für Windräder hinauslaufen, in der Regel winkt dann auch eine Umsatzbeteiligung. Doch bis es so weit ist, könnten noch Jahre vergehen. 

Auch könnte sich Thüringenforst theoretisch an Betreibergesellschaften zum Betrieb von Windkraftanlagen beteiligen. „Aber es geht nicht darum, dass wir zum Energieversorger werden wollen und selbst Windparks betreiben“, sagte Roman Rosch, Fachbereichsleiter Zentraler Dienst, Finanzen der Thüringenforst-Zentrale. Bisher war mit rund 95 Prozent Holz die wesentliche Ertragsquelle für die Landesforstanstalt. Perspektivisch sollen die Einnahmen etwas stärker diversifiziert werden. 

Warum soll die Landesforstanstalt in das Geschäft der Energieerzeugung einsteigen?

Als wichtigster Grund gelten finanzielle Belastungen. Kummer sagte, Klimaveränderungen und Borkenkäferbefall setzten den Wäldern stark zu und verschlechterten perspektivisch die Einnahmemöglichkeit von Thüringenforst. Kummer sieht in der Gesetzesänderung eine pragmatische Lösung. „Wenn jetzt Möglichkeiten für Einnahmen durch holzbasierte Blockheizkraftwerke oder Windenergieanlagen geschaffen werden, dann profitiert im besten Fall die Wirtschaft und die Kommune vor Ort durch saubere regionale Energie – außerdem hat der Forst mehr finanzielle Mittel, um in den Umbau und die Pflege des nachwachsenden gesunden Waldes zu investieren“, sagte er. 

Für die genutzten Flächen sollen größere Flächen als Kompensation wieder aufgeforstet werden. Für Kummer bringe das die richtige Dynamik: „Hin zu mehr gesundem Wald, mehr Einnahmen für Thüringenforst und mehr regionale Energie“.

Woher kommen die Geldsorgen?

Rosch sagt, die Thüringer Waldbesitzer erlebten zwischen 2018 und 2024 die größten Borkenkäferschäden seit Beginn der Aufzeichnung im Waldschutzmeldewesen. Bis heute seien im Freistaat rund 132.000 Hektar und damit etwa ein Viertel der Waldfläche in Thüringen durch Dürre, Sturm und Borkenkäfer geschädigt worden, davon die Hälfte bei Thüringenforst.

Die Landesforstanstalt musste mehr Holz aus den Wäldern holen - jedes Jahr etwa das doppelte der üblichen 1,3 Millionen Festmeter Holz.

„Diese bereits genutzten Holzmengen stehen nun langjährig nicht mehr zur Verfügung“, erklärt Rosch. Künftig werden die Erntemengen deshalb wohl geringer ausfallen müssen - es sei mit wenigstens 20 Millionen Euro weniger Geld aus Holzertrag zu rechnen. Das Niveau werde auch deutlich unter dem vor den Borkenkäferjahren liegen. Es dauere Jahrzehnte, bis der Holzvorrat wieder nachgewachsen sei.

Zugleich bringe Käferholz nicht die gleichen Erträge wie Holz ohne Schadbild. Der Abtransport der großen Mengen der vergangenen Jahre belasteten Forstwege stärker, es gab mehr Verschleiß - und damit höhere Kosten für die Instandsetzung. Und dann ist da noch die Wiederaufforstung mit Baumsorten, die besser in Zeiten des Klimawandels geeignet sind und die Waldpflege. Rosch nennt das eine „Mammutaufgabe“ mit hohen Kosten von rund 10-20 Millionen Euro pro Jahr.

Wie viel Geld lässt sich mit erneuerbaren Energien verdienen?

Das ist unterschiedlich. Nach Angaben von Thüringenforst ergeben sich bei Windkraftanlagen in der Regel Pachteinnahmen und eine Beteiligung am Umsatz bei der Stromerzeugung. Bei einer modernen Schwachwindanlage mit durchschnittlich 7,2 Megawatt pro Stunde Leistung seien zwischen 100.00 und 200.000 Euro pro Jahr Einnahmen möglich. 

Auch die Kommunen würden profitieren, denn unter Rot-Rot-Grün war im vergangenen Jahr noch ein Windkraft-Beteiligungsgesetz verabschiedet worden, das Betreiber verpflichtet, den betroffenen Gemeinden etwas vom Gewinn abzugeben. Rosch sieht nach dem jetzigen Planungsstand der Regionalplanungen theoretisch ein Potenzial für 100 bis 150 Windenergieanlagen auf Waldflächen im Eigentum von Thüringenforst. Nach heutigen Marktpreisen könnte die Landesforstanstalt so perspektivisch neue Einnahmen von rund 20 bis 30 Millionen Euro generieren.

Was ist außer Windenergieanlagen noch möglich? 

Kummer nennt immer mal holzbasierte Blockheizkraftwerke, die in der Regel Strom und Wärme produzieren. Entstehende Abwärme könnte für Heizwärme oder Warmwasser in Gebäuden genutzt werden. Laut Rosch sei denkbar, dass sogenanntes schwaches Holz dafür genutzt wird - darunter verstehen Förster eher dünnere Stämme, deren Verwendungsmöglichkeiten eingeschränkter sind. „Eine Möglichkeit ist die thermische Verwertung.“ Schwaches Holz wird beispielsweise aus jüngeren Wäldern herausgeholt, damit andere Bäume mehr Platz zum Wachsen haben.

Die CDU war immer gegen Windräder im Wald. Woher kommt der Sinneswandel?

Auf Drängen der CDU wurde Ende 2020 der Bau von Windrädern in Waldgebieten in Thüringen ausgeschlossen. Doch im Jahr 2022 kippte das Bundesverfassungsgericht die Regelung - zum Ärgernis der Christdemokraten. Bei den nun geplanten Änderungen verweist der CDU-Umweltpolitiker Thomas Gottweiss auf diese Rechtslage. Außerdem sieht auch die CDU, dass Thüringenforst Geld braucht, um die anstehenden Aufgaben zu erledigen.

Gottweiss hält die Pläne der Brombeer-Koalition für einen guten Kompromiss, der nach langen Verhandlungen schon im Koalitionsvertrag gefunden worden sei. Die Gemeinden vor Ort hätten die beste Ortskenntnis und könnten am besten planen, wo Windräder stehen sollen. „Die Bürger vor Ort, die ja auch ihre Gemeinderäte wählen, die müssen da überzeugt werden“, sagte Gottweiss.

Sind weitere Neuerungen geplant?

Ja. Es ist vorgesehen, dass das Land finanzielle Ausgleichsleistungen gewähren kann - etwa bei Schäden nach Extremwetter. Außerdem soll Thüringenforst größere Rücklagen bilden können, für die Kreditaufnahme soll eine Grenze aufgehoben werden. Daneben ist auch noch eine Änderung des Thüringer Waldgesetzes geplant, die die Landesforstanstalt indirekt betrifft. 

Bisher müssen öffentliche Forstbetriebe für ihre Wälder bis 50 Hektar zehnjährige Betriebspläne erstellen - mit Zustandsdaten über den Wald wie Baumarten, Alter, Holzvorrat und Pflegemaßnahmen. Künftig soll das wie bei Privatwäldern nur noch für Wälder ab 50 Hektar Fläche nötig sein. Damit soll Bürokratie abgebaut und auch Thüringenforst entlastet werden, denn die Landesforstanstalt erstellte diese Betriebspläne in der Regel.