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Paritätsgesetz Frauen wollen für mehr Teilhabe in Parlamenten kämpfen

Die Klatsche der Thüringer Verfassungsrichter war eindeutig: Sie verwarfen das Paritätsgesetz des Landes als verfassungswidrig. War es das nun mit dem Versuch, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen?

16.07.2020, 21:33

Berlin (dpa) - Die für eine gleichberechtigte Vertretung in Parlamenten kämpfenden Frauen wollen sich auch durch den Dämpfer durch das gekippte Paritätsgesetz in Thüringen nicht stoppen lassen.

Die praktische Umsetzung der Gleichberechtigung und das zugehörige Gleichstellungsgebot stießen in Deutschland "noch immer auf erhebliche Widerstände", sagte die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Die sind wir gewöhnt, sie entmutigen nicht, sondern fordern uns heraus. Wir kämpfen weiter."

"Das ist jetzt nicht ein Grund, die Hände in den Schoß zu legen", sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, im ZDF-"Morgenmagazin". "Sondern das ist eher ein Grund, jetzt weiterzukämpfen und dafür zu sorgen, eine verfassungsgemäße Lösung zu finden - nicht nur in Thüringen, sondern natürlich auch im Bundestag." Göring-Eckardt sprach sich dafür aus, nun eine überparteiliche Kommission einzusetzen, die Vorschläge für ein rechtssicheres Paritätsgesetz erarbeiten solle. Dieser Vorstoß löste allerdings bei anderen Parteien skeptische Reaktionen aus.

Der Verfassungsgerichtshof in Weimar hatte das Paritätsgesetz am Mittwoch für nichtig erklärt. Nach ihm mussten die Parteien in Thüringen ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen. Dadurch sollte der Anteil von Frauen im Parlament erhöht werden. Aus Sicht des Landesverfassungsgerichts beeinträchtigt diese gesetzliche Regelung das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie das Recht der politischen Parteien auf Betätigungsfreiheit, Programmfreiheit und Chancengleichheit.

Süssmuth reagierte mit Unverständnis: "Unsere Verfassung erlaubt dem Gesetzgeber, die Parteien zu verpflichten, Frauen und Männer in Parlamentswahlen paritätisch aufzustellen, und damit ist ein solches Gesetz verfassungskonform."

Das Urteil verkenne den gesellschaftlichen Wandel und insbesondere die im Grundgesetz Artikel 3, Absatz 2, Satz 2 geforderte Förderung der Gleichberechtigung und Gleichstellung, kritisierte Süssmuth. Dort heißt es wörtlich: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Der Thüringer Landtag hatte die Quotierung der Landeslisten 2019 mit den Stimmen von Linke, SPD und Grünen beschlossen - die AfD war dagegen vor Gericht gezogen. Das Urteil wurde auch bundesweit viel beachtet - in mehreren Ländern und im Bund gibt es Forderungen, über eine ähnliche Regelung mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Auch Süssmuth kämpft für eine Paritätsregelung, um den niedrigen Frauenanteil im Bundestag zu erhöhen. Dieser war bei der Wahl 2017 von zuvor 37,3 Prozent auf nun 31,2 Prozent gesunken.

Die SPD reagierte reserviert auf Göring-Eckardts Vorstoß für eine überparteiliche Kommission. "Eine Kommission macht nur Sinn, wenn im Bundestag klar ist, es geht mindestens um quotierte Listen", sagte SPD-Fraktionsvize Katja Mast der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Dazu können sich bis heute aber weder CDU und CSU, noch die FDP durchringen." Zugleich betonte die SPD-Politikerin: "Das Ziel der SPD ist klar - echte Parität in allen Parlamenten." Der Staat habe den Verfassungsauftrag, aktiv auf die Durchsetzung der Gleichberechtigung hinzuwirken. "Wir haben Handlungsbedarf gerade auch in den Parlamenten. Dazu ist die Wahlrechtsreform der richtige Ort."

Die FDP-Fraktion ist nach Angaben ihrer frauenpolitischen Sprecherin Nicole Bauer "jederzeit bereit, überparteilich über Maßnahmen für mehr Teilhabe und Repräsentanz von Frauen zu sprechen". Sie habe dazu bereits zum Jahresanfang einen Antrag im Bundestag eingebracht, der eine solche Kommission vorschlägt. "Ein Paritätsgesetz, das gerade für verfassungswidrig erklärt wurde, kann allerdings nicht Beratungsgegenstand sein", sagte Bauer. "Wir setzen auf einen Kulturwandel, bei dem Diversity, Talentmanagement und familienfreundliche Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle spielen."

© dpa-infocom, dpa:200716-99-818346/6