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Raus aus dem Job Jeder Fünfte geht mit Abschlägen in Rente

Arbeiten bis zum Umfallen? Hunderttausende bleiben nicht bis zum regulären Rentenalter im Job - auch wenn das einen Teil der Rente kostet. Warum verzichten Menschen auf das Geld?

21.08.2020, 16:24
Marijan Murat
Marijan Murat dpa

Berlin (dpa) - Mehr als jeder fünfte Rentner geht mit Abschlägen vorzeitig in den Ruhestand. Hunderttausende Menschen sind jedes Jahr betroffen - Tendenz deutlich sinkend.

Die Rentenversicherung betont, es könnte ganz unterschiedliche Gründe für ein früheres Ende des Arbeitslebens geben. Die Linke im Bundestag meint, viele könnten einfach nicht mehr und schufteten sonst bis zum Umfallen.

Der Anteil der neu dazugekommenen Altersrenten mit Abschlägen lag im vergangenen Jahr bei 22,5 Prozent, wie eine vom Bundestag veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zeigt. Vor allem Frauen nehmen die mit einem früheren Rentenbeginn verbundenen Abschläge in Kauf, bei ihnen lag der Anteil bei 24,8 Prozent. Bei den Männern waren es nur 19,9 Prozent.

Insgesamt gingen 2019 rund 184 000 Menschen mit Abschlägen in Rente. 816.000 Personen wechselten laut Deutscher Rentenversicherung insgesamt in die Rente. 2010 waren es mit rund 320.000 von damals rund 674.000 Altersrenten im Zugang noch deutlich mehr - 47,5 Prozent.

"Zurückgegangen ist auch die durchschnittliche Zahl der Abschlagsmonate", sagte ein Sprecher der Rentenversicherung. Sie sank von 2010 bis 2019 von 38 auf 26,4 Monate. Die Menschen blieben im Schnitt einfach länger im Erwerbsleben - und nähmen später Rente in Anspruch.

Die durchschnittliche Höhe der Abschläge lag 2019 bei 96,49 Euro brutto - 112,57 Euro bei Männern und 84,43 Euro bei Frauen. Der durchschnittliche prozentuale Abschlag betrug 7,9 Prozent.

Die Linke-Sozialexpertin Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Viele Menschen gehen nicht freiwillig mit Abschlägen vorzeitig in Rente." Demnach tun sie das unter anderem, "weil sie gesundheitlich nicht mehr können, aufgrund ihres Alters keine Perspektive mehr auf dem Arbeitsmarkt haben oder vom Jobcenter zwangsverrentet werden". Diese Altersrentner würden dann mit lebenslangen Rentenabschlägen bestraft. "Das ist nicht akzeptabel."

Der Sprecher der Rentenversicherung betonte, die Gründe, sich für eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen zu entscheiden, könnten sehr verschieden sein. Erfasst würden sie nicht. "Versicherte, die jedoch aus gesundheitlichen Gründen einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen können, werden in vielen Fällen keine Altersrente mit Abschlägen sondern eine Erwerbsminderungsrente beantragen."

Die Rentenversicherung wies darauf hin, dass der Rückgang bei den Abschlägen auch auf das Auslaufen der beiden Rentenarten "Altersrente für Frauen" und "Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit" zurückzuführen sei. Diese konnten ursprünglich schon ab Erreichen des 60. Lebensjahres – allerdings mit Abschlägen – in Anspruch genommen werden. Diese Möglichkeit besteht zwischenzeitlich nicht mehr.

Viele Versicherte hätten auch die Möglichkeit genutzt, bereits im Alter ab 63 nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch zu nehmen.

Zimmermann forderte, das reguläre Renteneintrittsalter müsse wieder auf 65 Jahre abgesenkt werden. "Viele Beschäftigte können nicht bis 67 Jahre arbeiten, somit ist die Rente erst ab 67 für viele Versicherte nichts anderes als eine Rentenkürzung." Wer lange eingezahlt habe, müsse unter bestimmten Voraussetzungen auch mit 60 abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. "Schuften bis zum Umfallen muss ein Riegel vorgeschoben werden."

© dpa-infocom, dpa:200821-99-257061/4

Altersrenten mit Abschlägen, S. 52