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Erkrankung Schlaflos durch müde Hände

Wenn eine Hand kribbelt und schmerzt, an Kraft verliert oder sich taub anfühlt, kann es sich um das "Karpaltunnelsyndrom" handeln.

Von Uwe Seidenfaden 11.03.2019, 00:01

Magdeburg l Nicht nur das menschliche Gehirn ist einzigartig in der Tierwelt. Gleiches gilt auch für die Hände des Menschen. Im Unterschied zu unseren nächsten tierischen Verwandten, den Schimpansen, haben Menschen einen Daumen, mit dem sie jeden anderen Finger an der Hand antippen können. Diese Anatomie macht die menschliche Hand zu einer Art Vielzweck-Werkzeug, mit der wir nicht nur gut greifen, sondern z. B. auch schreiben und nähen, schrauben und hämmern können.

Die Feinmotorik erlernt der Mensch meist spielend in den ersten Lebensjahren. Spätere Einbußen der Feinmotorik sind nicht selten Folge neuromuskulärer Störungen wie beispielsweise der Parkinson-Erkrankung, von Stoffwechselstörungen wie dem Diabetes mellitus bzw. einem sogenannten Karpaltunnelsyndrom.

Typische Frühbeschwerden eines Karpaltunnelsyndroms sind ein unangenehmes Kribbeln und Schmerzen in Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Manche Patienten werden in der Nacht auch durch stechende Schmerzen und Taubheitsgefühle in den Händen wach. Der Volksmund spricht in solchen Situationen oftmals von einer „eingeschlafenen Hand“.

Unbehandelt verliert die Daumenballenmuskel in Kraft. Selbst alltägliche Dinge wie das Öffnen einer Flasche mit Schraubverschluss oder das Zubinden der Schuhe mit Schnürsenkeln bereitet dann Probleme.

„Hervorgerufen werden die Beschwerden durch Kompression des Mittelhandnervs (Medianus-Nervs) an einer anatomischen Engstelle am Handgelenk, dem Karpaltunnel“, sagt der langjährige Magdeburger Neurochirurg Dr. Roland Minda. Etwas ähnliches geschieht bei einem „Hexenschuss“ (Bandscheibenvorfall). Dabei führt die Einklemmung des Ischiasnerves im Bereich der Lendenwirbelsäule zu starken Rückenschmerzen bis hin zu Taubheitsgefühlen und Lähmungen der Beine.

Auslöser kann eine Überlastung des Handgelenks sein. Aber auch Narben nach Handgelenksverletzungen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Rheuma oder Gicht, hormonelle Veränderungen (insb. bei Frauen in Schwangerschaft und Wechseljahren) sowie ungünstige Lagen im Schlaf (z. B. mit der Hand unter dem Kopf) können die Beschwerden hervorrufen.

„Ähnliche Symptome können auch bei Veränderungen an der Halswirbelsäule auftreten“, erklärt Dr. Minda. Vor der Behandlung ist daher eine genauere Diagnostik erforderlich. Dazu zählen Tests zur Nervenstromleitung und manchmal auch bildgebende Verfahren.

Nichts gegen die Schmerzen zu tun, ist laut dem Experten keine gute Idee. „Ein ständig unter Druck stehender, gereizter Mittelhandnerv kann zu bleibenden Schäden führen und die Beweglichkeit der Hand dauerhaft einschränken“, so Dr. Minda.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Behandlung, abhängig von den individuellen Beschwerden. Treten sie nur gelegentlich im Schlaf auf, können Nachtlagerungsschienen, die das Handgelenk ruhigstellen, oder Injektionen abschwellender Medikamente in das Handgelenk vorübergehend helfen.

Nicht zu empfehlen sind bei einem Karpaltunnelsyndrom freiverkäufliche Antischmerzsalben, Gele und Tabletten (sogenannte NSAR, wie Ibuprofen oder Diclofenac). „Sie beeinflussen nicht die Ursache der Beschwerden“, erklärt der Neurochirurg.

Die langfristig besten Therapieerfolge erzielen Neuro- und Handchirurgen durch eine mikrochirurgische Operation mit einem endoskopischen Eingriff an Handgelenk. Dabei wird die eingeengte Stelle des Mittelhandnervs beseitigt und der überlastete Nerv kann sich wieder erholen. Die Risiken sind minimal. „Es handelt sich um einen der am häufigsten durchgeführten Eingriffe“, sagt Dr. Minda.

Nach dem Eingriff muss die Hand noch für mehrere Tage ruhiggestellt werden. Wann Patienten wieder in ihren Beruf zurückkehren können, ist je nach Tätigkeit sehr unterschiedlich. Mitunter kann das über einen Monat dauern.