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Erste Hilfe „Stayinʼ Alive“ rettet Leben

Noch bis Sonntag ist die Woche der Reanimation. Evelyn Roitzsch und Christian Hensel vom DRK in Magdeburg werben für Erste Hilfe.

Von Susann Gebbert 19.09.2017, 01:01

Magdeburg l Bei Evelyn Roitzsch und Christian Hensel geht’s um Wolldecken, Kräutertees, Beats und gute Worte. Manchmal geht es auch ums Überleben. Die beiden arbeiten beim Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes in Magdeburg und bilden Erste-Hilfe-Ausbilder aus. „Erste Hilfe beginnt damit, einen Tee zu kochen, wenn jemandem übel ist, oder damit, einem Verunglückten einfach nur gut zuzureden", sagt Christian Hensel.

Der 46-Jährige hat 20 Jahre als Rettungssanitäter gearbeitet. Er hat oft beobachtet, dass die Leute einfach Angst haben, Erste Hilfe bei Fremden zu leisten. Angst davor, beim Retten einen falschen Handgriff zu machen. Er spricht von dem „inneren Schweinehund", der zum Helfen überwunden werden muss. Beim Bekämpfen des Schweinehunds helfen die etwa 350 Ausbilder des DRK in Sachsen-Anhalt, die Erste-Hilfe-Kurse anbieten. 50.000 Teilnehmer machen sie in ihren Kursen jedes Jahr in Sachen Erste Hilfe fit. Was erstmal nach einer großen Zahl klingt, ist in Wahrheit noch viel zu wenig.

„Wir sind dafür, dass ein Erste-Hilfe-Kurs für jeden verpflichtend ist und alle fünf Jahre wiederholt werden muss", so Evelyn Roitzsch (34). Die meisten Menschen nehmen für ihren Führerschein an einem Kurs teil und danach nie wieder. Roitzsch und Hensel haben beobachtet, dass Menschen sich oft erst dann freiwillig für einen Kurs entscheiden, wenn sie Kinder bekommen, pflegebedürftige Angehörige haben oder sie schon einmal in die Situation gekommen sind, Erste Hilfe zu leisten. Dabei passieren täglich kleine Unfälle, die einer ersten Hilfe bedürfen. Seien es Schnittverletzungen beim Zwiebeln schneiden, Leiterstürze, Verbrennungen beim Kuchen aus dem Ofen holen, Kinder, die stürzen oder Hämmer, die ihr Ziel verfehlen und auf dem falschen Nagel landen.

Christian Hensel hat viele Merksätze zum Helfen parat. „Nur keine Hilfe ist schlechte Hilfe", ist einer davon. Oder: „Es kann nur besser werden." Oder auch: „Erstmal dem helfen, der nichts mehr von sich gibt." Beruhigend ist auch: Man kann auf sein Bauchgefühl hören. „Im Grunde können wir uns auf unsere Intuition verlassen. In unseren Kursen geht es hauptsächlich darum, die Hemmungen abzubauen", sagt Evelyn Roitzsch. Das Motto des DRK: „Erste Hilfe ist leicht."

Wenn es um die Wiederbelebung geht, gilt es aber doch, ein paar Fakten zu beachten. Von 70.000 Menschen, die pro Jahr einen plötzlichen Herzstillstand erleiden, sterben 65.000. Nur ein Drittel der Laien, die während eines solchen Unfalls vor Ort sind, leistet Erste Hilfe, beklagt laut dpa-Bericht die Deutsche Herzstiftung. Pro Minute ohne lebenserhaltende Maßnahmen sinkt die Überlebenschance um etwa zehn Prozent. Nach zehn Minuten ist der Patient in der Regel tot. Der Krankenwagen braucht aber bis zu zwölf Minuten, um zum Unfallort zu gelangen.

Hensel und Roitzsch erklären, was zu tun ist, wenn man in die Situation einer Ersten Hilfe kommt und wiederbeleben muss:

1. Ruhe bewahren: „Die ersten 30 Sekunden gehören dem Ersthelfer“, ist noch so ein Merksatz von Christian Hensel. In der Phase empfiehlt er, sich einen Überblick zu verschaffen, den Unglücksort abzusichern, sich Plastikhandschuhe (Plastiktüten tun es auch) und gegebenenfalls eine Warnweste anzuziehen und vor allem: erstmal tief Luft holen.

2. Notruf: Unter 112 erreichen Sie die nächste Rettungsleitstelle, unter 110 die Polizei. Unter 030/19240 erreichen Sie den Giftnotruf. Sagen Sie unbedingt, wo der Notfallort ist. Innerhalb der nächsten zwölf Minuten sollte der Rettungswagen bei Ihnen eintreffen.

3. Verletzten betreuen: Roitzsch und Hensel mahnen: Nie den Verletzten alleine lassen, mit ihm sprechen und erklären, was gerade passiert. Der Verletzte spürt die Zuwendung unterbewusst. Hensels Merksatz dazu: „Ein sprechender Patient, ist der beste Patient.“ Es zeigt, dass Herz und Kreislauf halbwegs funktionieren. Wenn der Verunglückte bei Bewusstsein ist, entlastet es den Kreislauf, ihn mit einer Decke, oder was man gerade zur Hand hat warm zu halten. Überprüfen Sie die Atmung. Wenn er nicht bei Bewusstsein ist und atmet: stabile Seitenlage. Wenn er nicht bei Bewusstsein ist und nicht atmet, müssen Sie mit der Herzdruckmassage beginnen.

4. Herzdruckmassage und Beatmung: Machen Sie den Oberkörper des Verunglückten frei. Legen Sie Ihre Handballen auf den Mittelpunkt zwischen den Brustwarzen. Mit durchgestreckten Armen drücken Sie den Brustkorb 30 Mal mindestens fünf Zentimeter im Takt von „Stayinʼ Alive“ der Bee Gees (entspricht einer Frequenz von 120 Kompressionen pro Minute) nach unten. Beatmen Sie anschließend zwei Mal durch Mund oder Nase und halten Sie das jeweils andere Körperteil zu. Sie können dabei auch ein Tuch auf den Mund legen. Wiederholen Sie die Herzdruckmassage und Beatmung im Wechsel so lange, bis der Notdienst da ist.

5. Defibrillationsgerät: Das Gerät sollten Sie nur nutzen, wenn Sie zu zweit sind und den Betroffenen nicht verlassen müssen, um es zu holen. Ansonsten haben die pausenlose Herzdruckmassage und Beatmung Vorrang. Elektroden werden auf den Brustkorb geklebt. Das Gerät analysiert den Herzrhythmus und gibt vor, welche Maßnahmen der Helfer durchführen soll, zum Beispiel Herzdruckmassage.

Das Deutsche Rote Kreuz und andere Organisationen wie Malteser oder Johanniter bieten regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse an. Einige dauern einen Tag lang, andere nur 90 Minuten. Auf der Internetseite des DRK können Interessenten ihre Postleitzahl eingeben, um einen Kurs in ihrer Nähe zu finden. „Auch Erste-Hilfe-Ausbilder suchen wir", so Evelyn Roitzsch.