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Gerichtsurteil Urlaub verfällt nicht mehr automatisch

Urlaub ist Balsam für Körper und Seele: Wer über seine Rechte Bescheid weiß, dem entgeht auch kein Urlaubstag.

08.07.2019, 23:01

Göttingen/Köln (dpa) l Eine Auszeit nehmen – das tut jedem gut. Doch welche Rechte und Pflichten haben Beschäftigte in Sachen Urlaub? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie viel Urlaub steht Arbeitnehmern mindestens zu?
„Das hängt davon ab, wie viele Tage in der Woche ein Arbeitnehmer arbeitet“, sagt der Göttinger Jura-Professor Olaf Deinert. Bei einer Sechs-Tage-Woche beträgt der gesetzliche Anspruch 24, bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Tage. Höhere Ansprüche ergeben sich aus Tarif- oder Arbeitsverträgen.

Kann man nicht beanspruchten Urlaub ins nächste Jahr übernehmen?
Urlaub sollte in der Regel im Ursprungsjahr genommen werden. „Laut Bundesurlaubsgesetz verfällt der Anspruch grundsätzlich am Jahresende oder spätestens am 31. März des Folgejahres“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat aber klargestellt, dass er nicht automatisch verfällt, sondern der Arbeitgeber hierauf hinweisen muss. Vorangegangen war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Wie und bis wann muss der Arbeitgeber darauf hinweisen?
„Formvorschriften hat der EuGH nicht gemacht“, erklärt Tjark Menssen vom Rechtsschutz des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Es biete sich aber an, solche Hinweise schriftlich zu machen, etwa per E-Mail. „Der Hinweis kann nur so lange wirksam erfolgen, wie es dem Arbeitnehmer möglich ist, den Urlaub auch zu nehmen.“ Außerdem muss er ausreichend Zeit haben, sich auf eine Reise vorzubereiten. Unternehmen können dies sinnvoll in Betriebsvereinbarungen regeln.

Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Auszahlung, falls er nicht alle Tage nehmen will?
Nein. „Der Arbeitnehmer kann und soll seinen Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht verkaufen“, betont Menssen. Für den Arbeitgeber wäre aus Sicht von Deinert ein solches Geschäft sogar „äußerst zweifelhaft“, denn Urlaub dient der Gesundheit, die nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte.“

Muss der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden?
„Ja, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nehmen konnte“, sagt Menssen. Im Juristendeutsch ist dann von „Abgeltung des Urlaubsanspruchs“ die Rede.

Verfällt der Urlaubsanspruch bei langer Krankheit?
Hier hat sich die Rechtsprechung geändert. Bei langer Krankheit entfällt der Urlaubsanspruch nicht mehr am 31. März des Folgejahres, sondern spätestens nach 15 Monaten. Nach einem BAG-Urteil gilt dies auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über diesen Zeitraum hinaus ununterbrochen andauert.

Was passiert, wenn man von Voll- auf Teilzeit wechselt?
Zunächst bleiben die während der Vollzeitarbeit erworbenen Urlaubstage erhalten. „Das gilt vor allem dann, wenn der Beschäftigte seinen Urlaub vor dem Wechsel nicht mehr nehmen konnte“, sagt Oberthür, die in der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein tätig ist.

Was geschieht mit dem Urlaub, wenn man Elternzeit nimmt?
„Nichts, der Anspruch bleibt“, betont Deinert. Der Arbeitgeber kann den Urlaub pro Monat Elternzeit um jeweils ein Zwölftel kürzen. Nach einem BAG-Urteil muss er dies formlos mitteilen. Generell kann er nur den gesetzlichen Urlaub kürzen. Beim tarif- oder vertraglichen Urlaub ist dies nur möglich, wenn nichts anderes geregelt ist.

Was ist, wenn man ein Sabbatical oder Sonderurlaub hat?
„Für diese Zeit besteht kein gesetzlicher Urlaubsanspruch“, erklärt Oberthür.

Kann der Urlaubsanspruch vererbt werden?
Ja. Nach einem EuGH-Urteil haben Erben Anspruch auf Auszahlung des nicht genommenen Urlaubs. „Das betrifft den gesetzlichen Mindesturlaub“, so Deinert. Gleiches gilt für den Zusatzurlaub für Menschen mit Schwerbehinderung und auch übergesetzliche Ansprüche, wenn keine andere Regelung getroffen wurde.