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Ernährung Vom Schlankmacher zur Fettfalle

Sind Superfoods womöglich verkappte Dickmacher, die voll aufs Kalorienkonto schlagen? Ein Ernährungswissenschaftler gibt Antworten.

Von Nadine Beeck 27.04.2018, 23:01

Magdeburg l So kann’s gehen: Erst als Schlankmacher gehypt, wird Kokosöl nun von einer US-Studie als ungesunde Fettfalle entlarvt. Satte 82 Prozent gesättigte Fettsäuren sollen drinstecken – mehr als in Butter. Die gelten übrigens als mögliche Auslöser für einen erhöhten Cholesterinspiegel und Herzprobleme. Sind sogenannte Superfoods gar nicht so gesund wie angenommen? Harald Seitz, Ernährungswissenschaftler beim Bundeszentrum für Ernährung, über gängige Superfood-Mythen.
Was sind eigentlich Superfoods?
Harald Seitz: Gemeint sind damit exotische Nahrungsmittel wie Beeren, Samen und Getreide, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen oder Antioxidantien aufweisen. Der Begriff Superfood ist allerdings ein Marketing-Gag, es gibt nämlich keine festgelegte Definition: Der Bundes-Lebensmittelschlüssel macht klare Vorgaben bei der Einteilung von Nahrungsmitteln – und das Wort Superfood kommt dort nicht vor.
Und wie gesund sind die wirklich?
Schön und schlank wird man mit einem einzelnen Lebensmittel nie. Man muss die Nährstoffwerte immer ganzheitlich betrachten: Chiasamen werden beispielsweise mit einem hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und Calcium beworben. Tatsächlich haben sie fünfmal mehr Calcium als Milch, aber: Diese Angaben gelten immer pro 100 Gramm, was etwa bei Chiasamen und Milch ein gewaltiger Mengenunterschied ist. Außerdem kann der Körper Calcium zusammen mit Phosphaten viel besser aufnehmen – und davon sind in Milch deutlich mehr enthalten als in Chiasamen.
Viel bringt also nicht immer viel?
Bei Mineralstoffen wie Calcium und Magnesium nicht. Die kann der Körper in so großen Mengen, wie bei einigen Superfoods angepriesen, oft nicht auf einmal aufnehmen. Bei Ballaststoffen und Antioxidantien ist es allerdings sinnvoll, viele Lebensmittel mit diesen Stoffen zu essen. Das müssen aber keine Superfoods sein, das geht auch über regionales Obst und Gemüse – die haben meistens sowieso einen höheren Nährstoffgehalt.
Warum das denn?
Wenn frische Lebensmittel lange unterwegs sind – wie etwa Flugmangos – beträgt der Nährstoffverlust bis zu 70 Prozent. Auch bei verarbeiteten Produkten wie Açaí- und Weizengraspulver und getrockneten Gojibeeren ist der Nährstoffgehalt wesentlich geringer als im frischen Produkt. Gojibeeren werden als Vitamin-C-Bomben gefeiert – da gibt es aber je nach Trocknungsart Unterschiede zwischen 30 bis 150 Milligramm Vitamin C pro 100 Gramm, das sieht man als Verbraucher jedoch nicht auf der Verpackung. Bei frischen schwarzen Johannisbeeren dagegen liegt der Wert mit etwa 177 Milligramm pro 100 Gramm viel höher, die lassen sich nur nicht so sexy vermarkten. Ich würde deshalb immer frische, regionale Ware vorziehen. Das schont auch den Geldbeutel.
Was sind heimische Alternativen?
Leinsamen zum Beispiel sind Chiasamen in der Nährstoffzusammensetzung sehr ähnlich. Heidelbeeren und Sauerkirschen haben mindestens genauso viele Antioxidantien wie Açaíbeeren. Ernährungsphysiologisch sind Raps- und Sonnenblumenöl wertvoller als Kokosöl, weil sie viele ungesättigte Omega-3- und Omega- 6-Fettsäuren enthalten.
Ist Superfood ein Dickmacher?
Kommt drauf an. Als Snack sind Açaíbeeren zum Beispiel durchaus gesünder als ein Schokoriegel. Es gilt aber die Regel: Kalorien sind Kalorien – egal, ob das Nahrungsmittel gesund oder ungesund ist. Das ist ein Messwert wie km/h. Natürlich ist es sinnvoll, den Gesamtenergiebedarf pro Tag möglichst mit gesunden, in der Nährwertzusammensetzung hochwertigen Lebensmitteln zu decken. Nascht man aber täglich zusätzlich zu den regulären Mahlzeiten Superfood-Snacks wie Müsliriegel, Nüsse & Co., kommt schon was zusammen. Nur weil etwas relativ gesund ist, kann man davon noch lange nicht so viel essen, wie man möchte: Wird der Gesamtenergiebedarf überschritten, nimmt man immer zu.