Prostatakrebs Neue Therapien

Sogenannte Fokale Therapien gelten als Alternativen zu Bestrahlung und OP. Was können Patienten davon erwarten?

Von Uwe Seidenfaden 17.08.2017, 01:01

Magdeburg | In der Therapie von Brustkrebs ist längst Realität, worüber Ärzte bei der Behandlung des männlichen Prostata-Karzinoms noch diskutieren: Sofern möglich, wird organschonend behandelt. Das heißt, die Mediziner suchen nach Wegen, um mit dem Krebs nicht gleich das ganze Organ – z. B. die weibliche Brust – zu entfernen. Beim Prostatakrebs des Mannes war das bis vor wenigen Jahren anders. Wenn Krebszellen bei einer Biopsie (Gewebeentnahme aus der Vorsteherdrüse) nachgewiesen wurden, gab es grundsätzlich nur zwei Alternativen: die Radikale OP, bei der Urologen die Krebsherde mitsamt der Pros-tatakapsel entfernen, oder die Bestrahlung. Trotz Verbesserungen beider Techniken gibt es Risiken wie Inkontinenz und fehlende Penis-Standhaftigkeit (Erektile Dysfunktion).

Patienten können oft unter mehreren Optionen wählen. Die gute Nachricht ist, dass es inzwischen moderne Verfahren gibt, dank derer nur der von Krebszellen betroffene Teil der Prostata-Drüse behandelt werden kann. Mediziner sprechen von „Fokalen Therapien“. Mit den Einsatzmöglichkeiten, den Nutzen und Risiken „Fokaler Therapien“ befasst sich in der Deutschen Urologischen Gesellschaft eine Fachgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Martin Schostak, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Urologie und Kinderurologie. „In den vergangenen Jahrzehnten wurden verschiedene Verfahren zur organerhaltenden Prostatakrebs-Therapie entwickelt“, sagt der Magdeburger Facharzt. Die einzelnen „Fokalen Therapien“ unterscheiden sich untereinander vor allem technisch in der Art und Weise, wie die Krebsherde in der Prostata, bei Schonung des gesunden Gewebes, zerstört werden.

1. Das Cyberknife: Bei der Cyberknife-Technik handelt es sich um eine technische Verbesserung der zielgenauen Bestrahlung von Prostata-Krebsherden von außen. Dadurch können Behandlungs-Sitzungen verkürzt und Nebenwirkungen (insbesondere am Darm) verringert werden. Die Technik wird jedoch nur in wenigen Zentren angeboten und ist keine Kassenleistung.

2. Fokale Brachytherapie: Diese Behandlung ist eine invasive Variante der Strahlentherapie von außen. Dabei werden kleine Nadeln mit radioaktiv strahlenden Isotopen operativ in die Vorsteherdrüse eingesetzt. Im Gegensatz zur konventionellen Strahlentherapie dauert das Verfahren nur einen Tag. Die bisherigen Studienergebnisse ermöglichen noch keine Aufnahme in die Therapie-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie.

3. TOOKAD: Bei der „photodynamischen Krebstherapie“ wird Patienten eine lichtsensible Substanz (TOOKAD®) in den Blutkreislauf injiziert. Sie konzentriert sich an Tumorgefäßen und wird bei Lichtbestrahlung mit Hilfe eines Lasers aktiviert. Die dabei entstehenden Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen (freie Radikale) bewirken einen Untergang der Tumorzellen. Die Behandlung kann auch bei gleichzeitiger Strahlen- oder Hormontherapie angewendet werden. Eine baldige Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur wird erwartet.

4. HIFU: Diese Therapie beruht auf der Bündelung intensiver Ultraschallwellen gegen Krebsherde in der Prostata. Dadurch entstehen Temperaturen von rund 90 Grad Celsius. Die Tumoren werden zerstört. Die Therapie kann bei einer nicht zu großen Prostata und einem geringen bis mäßig- aggressives Krebsverhalten angewendet werden. HIFU wird seit rund 25 Jahren in Studien mit bislang über 40 000 Patienten untersucht. Am Uniklinikum Magdeburg wird HIFU in seiner modernsten Form seit sechs Jahren eingesetzt. „Die von Patienten beurteilte Lebensqualität wird durch die Behandlung so gut wie gar nicht eingeschränkt“, so Privatdozent Dr. Daniel Baumunk von der Klinik für Urologie und Kinderurologie Magdeburg.

5. NanoKnife: Bei diesem Verfahren setzt der Urologe nadelähnliche Sonden in die Prostata ein. Über die Sonden werden elektrische Impulse abgegeben, die Poren in den Krebszellen öffnen und sie so zerstören. Die IRE – auch als elektronisches Skalpell oder NanoKnife bezeichnet – wird in einigen Prostata-Zentren auch für Patienten mit Hochrisikotumoren angeboten, die Standardverfahren, wie z. B. eine Radikaloperation ablehnen. Die Mehrheit der deutschen Urologen betrachtet das Verfahren allerdings sehr skeptisch. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. kritisiert die Bewerbung des Verfahrens in der Öffentlichkeit, da der Patientennutzen dieser Behandlung noch größtenteils ungesichert ist.