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Psyche Plötzliche Übelkeit kann vom Stress kommen

05.09.2013, 01:08

Vor Extremsituationen helfen Entspannungsübungen und Belastungstraining

Manche Situationen stressen Menschen so, dass ihnen übel wird. Wer weiß, wann das bei ihm der Fall ist, kann versuchen, die Belastung zu vermeiden oder sein Verdauungssystem durch Stresssimulation abzuhärten.
Gießen (dpa) l Ein Abgabetermin rückt näher oder die Schwiegereltern haben sich zum Besuch angesagt: Und schon grummelt es im Bauch. Der eine reagiert mit leichter Übelkeit auf solche Stresssituationen, der andere könnte pausenlos zur Toilette rennen. Feststeht: Zwischen Gehirn und Verdauungsorganen gibt es einen heißen Draht.
Im Magen-Darm-Trakt sitzen hundert Millionen Nervenzellen, so viele wie im Rückenmark. "Sie können durch das vegetative Nervensystem, das vom Gehirn gesteuert wird, beeinflusst werden", sagt Prof. Joachim Erckenbrecht von der Gastro-Liga in Gießen
Die Brücke des Gehirns zum Körper ist das Zwischenhirn. Über dieses werden alle Hormone dirigiert. "Wenn beispielsweise jemandem, der Angst hat vor Hunden, ein sehr großer Hund entgegenkommt, dann löst das im Gehirn aus: ,Oh, Flucht! Oh, Stress!\'", sagt Professor Peter Falkai von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. "Das meldet das Zwischenhirn an die Nebenniere." Die setze sofort eine große Menge des Stresshormons Cortisol frei. Der Körper werde vorbereitet nach der Devise "zuhauen oder abhauen".
 
Für diese Abwehrbereitschaft brauchen Herz, Lunge und Muskeln Energiereserven, die aus dem Magen-Darm-Trakt abgezogen werden. "Unsere Verdauungsprozesse kosten viel Energie, benötigen viel Sauerstoff und Blut. In Belastungssituationen ist das unproduktiv", sagt Paul Enck, Professor für psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Tübingen. Wird das Blut aus den Verdauungsorganen abgezogen, stellen diese ihre reguläre Tätigkeit ein und transportieren die Nahrung nicht mehr weiter.
In einer milden Form löst das Bauchdrücken und Übelkeit aus, im Extremfall will der Körper die Nahrungsreste schnellstmöglich loswerden - durch Erbrechen oder Durchfall. "Für diese Reaktionen ist oft egal, um was für eine Belastung es sich handelt - beruflicher Stress, Reiseaufregung oder ein Trauerfall. Je unvorhergesehener ein Ereignis ist, umso stärker die Reaktion des Körpers", führt Eck aus.
Ein ungutes Bauchgefühl ab und zu mag verkraftbar und vielleicht als Warnsignal sogar gern gesehen sein. Wer jedoch ständig zur Toilette rennen muss, wird den Einfluss der Psyche auf die Verdauung verfluchen. Ideal wäre es, erkennbare Stressfaktoren zu vermeiden. Aber Prüfungen, Meetings oder Reisen sind oft unumgänglich.
Doch es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf das Maß der körperlichen Reaktionen einzuwirken. "Man kann vor dem Verlassen des Hauses noch mal in Ruhe zur Toilette gehen, und man kann das Essen unterlassen oder auch versuchen, Essgewohnheiten zu verändern", schlägt Enck vor. Magen und Darm werden durch kleine Mahlzeiten mit wenig Fett und Ballaststoffen zum Beispiel weniger belastet.
Bei besonders empfindlichen Menschen werden starke psychische Belastungen dennoch auf die Verdauung durchschlagen. "In Akutsituationen zum Beispiel vor einer Prüfung oder bei Reisefieber können Patienten auch über vorbeugende Medikamente nachdenken", rät Falkai. Linderung verspricht auch eine Wärmflasche.
Ansatzpunkt Nummer zwei ist das Stressniveau: Wer ständig unter Strom steht, dem gibt eine Akutsituation den Rest. Die Gefahr lässt sich reduzieren, indem die Belastung verringert wird, etwa durch Entspannungsübungen. "Viele Leute sind die besten Therapeuten: Sie wissen, was ihnen gut tut. Das können sie zum einen beherzigen, um ihr generelles Stressniveau zu reduzieren", erläutert Falkai. "Wenn ich weiß, dass ich lange brauche, um Dokumente sorgfältig zu lesen, kann ich entsprechend Zeit einplanen."
Der dritte Weg setzt darauf, dass Körperreaktionen in begrenztem Maße trainierbar sind. "Möglicherweise kann man durch wiederkehrende Reizsituationen einen Gewöhnungseffekt erreichen", sagt Erckenbrecht. Das heißt: Wer Prüfungssituationen simuliert, übt nicht nur, sondern härtet sich möglicherweise auch ab.