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Unabhängige Patientenberatung "Bescheide oft unverständlich"

Immer häufiger kommen Ratsuchende in das Büro der Unabhängigen
Patientenberatung Deutschland (UPD) in Magdeburg, weil sie mit den
Schreiben von Krankenkassen und anderen Kostenträgern nichts anfangen
können. Mit Juristin Anja Girschik sprach Kerstin Singer.

02.07.2014, 01:22

Innerhalb eines Jahres haben Sie und Ihre beiden Kolleginnen in Magdeburg 4167 Beratungen gemacht. Was war das häufigste Problem?
Anja Girschik: Meist geht es um Leistungen aus der Krankenversicherung. So kommen die Ratsuchenden beispielsweise mit Fragen zur Ablehnung einer Rehabilitation oder der Zahlung von Krankengeld auf uns zu. Solche Fälle, in denen es darum geht, ob und wie viel ein Kostenträger bezahlt, machen inzwischen ein Drittel unserer Beratungen aus. Tendenz steigend.

Inwiefern können Sie den Patienten dann helfen?
Die Bescheide sind für die Ratsuchenden oft unverständlich oder sie wissen nicht, wie sie weiter vorgehen müssen. Die Fälle werden zunehmend komplizierter und tiefgreifender, vor allem juristische Fragestellungen nehmen zu.

Sie selbst sind Volljuristin. Können Sie als Berater denn für die Patienten rechtliche Schritte einleiten?
Nein, anwaltlich tätig werden und gar einen Prozess begleiten, darf ich nicht. Aber wir als Berater können die Patienten über ihre Rechte aufklären und Handlungswege aufzeigen. Gegebenenfalls müssen wir sie dann an einen Rechtsanwalt verweisen. Auch bei vermuteten Behandlungsfehlern prüfen wir nicht selbst, ob ein solcher tatsächlich gegeben ist.

Geht Ihre Beratung denn auch darüber hinaus?
Ja, oft steckt hinter einem Bescheid eine komplizierte Krankengeschichte. Deshalb arbeiten wir interdisziplinär in unserem Team zusammen. Sandra Hein kümmert sich um die medizinischen Fragen, Franziska Harpke um die psychosoziale Betreuung. Beide sind Gesundheitswissenschaftler.

Ein Beispiel. Eine Frau kommt mit einer Krebsdiagnose zu Ihnen. Obwohl die Krebsart als nicht therapierbar diagnostiziert wurde, wollen die Ärzte eine Chemo- und Strahlentherapie durchführen. Die Frau ist sich unsicher, ob sie das noch über sich ergehen lassen sollte. Was würden Sie ihr raten?
Ich würde die Frau über ihre Rechte als Patientin aufklären. Denn sie darf aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechtes die Chemo- und Strahlentherapie ablehnen. Allerdings könnte der Arzt dann bei Ablehnung einer vorgeschlagenen Therapie die Weiterbehandlung überdenken. Meine Kollegin Frau Hein würde prüfen, ob es medizinische Studien zu dem Fall gibt. Frau Harpke würde, sofern dies noch nicht geschehen ist, überdenken, inwiefern eine psychologische Begleitung oder weiterführende Hilfe sinnvoll wäre.

Welche Themen decken Sie noch ab?
Wir beraten zu einer Vielzahl von Themen, unter anderem auch zu Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, Schwerbehinderungen, gesetzlichen Neuregelungen, bei Konflikten mit Ärzten oder Krankenkassen oder bei der Suche nach Ärzten, Kliniken und Selbsthilfegruppen.

Wie schnell bekomme ich bei Ihnen einen Termin?
In der Regel dauert es nicht länger als zwei Wochen. Es ist ratsam, telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Aber auch ohne Termin kann unsere Beratungsstelle innerhalb der Öffnungszeit aufgesucht werden. Sollten die Ratsuchenden uns jedoch nicht sofort erreichen, können sie sich auch an unser bundesweites Beratungs-telefon wenden.

Was kostet eine Beratung?
Die Beratung ist kostenlos. Unsere Arbeit wird vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert. Diese darf allerdings keinen Einfluss auf unsere Beratungen nehmen. Das hat der Gesetzgeber genau geregelt.

Wird mein Fall vertraulich behandelt?
Ja, Sie können sich sogar anonym beraten lassen. Nach dem Gespräch nehmen Sie Ihre Unterlagen wieder mit nach Hause oder sie werden vernichtet. Es wird bei uns keine Akte angelegt. Sie brauchen auch keine Vollmacht, wenn Sie sich beispielsweise kundig machen wollen, wie Sie Ihrer kranken Nachbarin helfen können.