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Austausch von Herzschrittmachen Winzige Tunnelbohrer in den Venen

Schlägt das Herz zu langsam oder gelegentlich zu schnell, kann ein
elektronisches Implantat - ein Herzschrittmacher oder ein sogenannter
Defibrillator - notwendig werden. Was jedoch tun, wenn dieses Gerät
versagt?

Von Uwe Seidenfaden 03.07.2014, 03:23

Magdeburg l Auf das menschliche Herz ist meist Verlass. Es pumpt je nach Belastung genau die Menge Blut durch den Körper, die zum Wohlbefinden notwendig ist. Manchmal jedoch führen Veränderungen an den Gefäßen zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Die Pumpleistung sinkt und als Folge gelangt zu wenig sauerstoffreiches Blut zu den anderen Organen.

Mögliche Symptome sind Leistungsschwächen, Herzstolpern, häufige Müdigkeit oder eine plötzliche Ohnmacht. Behandelt werden solche Herzrhythmusstörungen oftmals mithilfe eines elektronischen Implantates von der Größe einer Streichholzschachtel - einem Herzschrittmacher oder ein Elektroschocksystem (Defibrillator).

Diese modernen High-Tech-Geräte implantieren Ärzte unterhalb des Brustkorbes, verbinden sie mit dünnen "elektrischen Kabeln" (Elektroden oder auch Sonden genannt), die sie unter Röntgenkontrolle durch die Schlüsselbeinvene bis ins Herz vorschieben. "Die Batterie der Herzimplantate hält je nach Einsatzzweck in der Regel zwischen vier und zehn Jahre", so Dr. Thomas Rauwolf von der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Uniklinikums. Häufigster Grund für den Austausch von Herzschrittmachern und Defibrillatoren ist die begrenzte Haltbarkeit der stromversorgenden Batterien.

Der Austausch der Schrittmacherbatterie, die im Fettgewebe unter dem Schlüsselbein steckt, ist medizinisch relativ einfach. In der Regel geschieht das während einer kleinen, ambulanten Operation. Ganz ohne Risiko ist der Eingriff allerdings nicht. Gelangen dabei Bakterien in die Wunde, kann das zu Entzündungen führen. "Entzündungs-Symptome sind schlecht heilende Operationswunden und Schmerzen", so Dr. Rauwolf. Ein ernsthaftes Problem ist, dass die Bakterien oftmals einen feinen Überzug auf dem Implantat, einen sogenannten Biofilm, bilden. Das erschwert die Bekämpfung der Erreger mit Antibiotika. Im ungünstigsten Fall breiten sich die Keime entlang der "Kabel" (Elektroden) bis zum Herzmuskel aus und schädigen ihn.

Um das zu verhindern, müssen Herz- und Thoraxchirurgen manchmal die implantierten Elektroden entfernen. Gleiches ist notwendig, wenn es durch extreme mechanische Belastungen zu einem Bruch der Elektroden gekommen ist. Mitunter erhalten Patienten dadurch unnötige Elek- troschocks, die sehr belastend sein können.

Statistisch tauchen solche Probleme bei etwa zwei bis sechs von 100 Patienten auf - nach einzelnen Studien auch deutlich häufiger. Die Magdeburger Herzchirurgen rechnen in den nächsten Jahren mit einer steigenden Zahl derartiger Operationen in Sachsen-Anhalt, da auch die Zahl älterer Implantatträger weiter zunehmen dürfte.

Laser-Katheter-Technik statt großer Herz-OP

An der Uniklinik für Herz- und Thoraxchirurgie haben sich die Mediziner inzwischen auf sogenannte Austausch-OPs von Schrittmachergeräten und Elektroden vorbereitet. Statt einer großen, offenen Herz-Operation mit Durchtrennung des Brustbeines wenden sie neuerdings zumeist eine moderne Laser-Katheter-Technik an, um defekte oder infizierte Elektroden aus dem Körper zu entfernen. "Wir schieben zunächst eine dünne, biegsame Hülse über die zu entfernende Elektrode", erklärt die Herzchirurgin Dr. Hassina Baraki, Oberärztin am Uniklinikum. "Relativ problemlos ist das möglich, wenn seit der Implantation nur wenige Monate vergangen sind", sagt die Fachärztin. Sollten aber die Implantation schon vor mehreren Jahren erfolgt sein, sind Verwachsungen der Elektroden mit dem körpereigenen Gewebe wahrscheinlich. In diesem Fall kommt ein Laser zum Einsatz, der am vorderen Ende der nur wenige Millimeter dünnen Hülse angebracht ist. Er löst die an den Elektroden haftenden Gewebezellen, so dass die Ärzte die alten "Kabel" leichter herausziehen können. Während dieser etwa einstündigen Prozedur ist der Patient narkotisiert.

Alternativ entfernen die Herzchirurgen die "Kabel" auch minimalinvasiv durch kleine Öffnungen im Brustraum. "Eine große Operation mit Durchtrennung des Brustbeins ist heute nur noch ganz selten notwendig", sagt Professor Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Uniklinikum. Und sollte im Einzelfall das medizinische Risiko auch für diese endoskopischen oder mikrochirurgischen Eingriffe zu groß sein, werden die defekten Elektroden manchmal auch funktionslos, so wie altes, ungenutztes Gleis im Schienenverkehr einfach stillgelegt und im Körper belassen. Parallel dazu werden neue Elektroden verlegt und mit dem Herzschrittmacher bzw. dem Defibrillator verbunden.