1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Kinder leiden seelisch und körperlich unter Armut

Eltern sollten Hilfsangebote annehmen Kinder leiden seelisch und körperlich unter Armut

Von Stefan Säemann 28.12.2009, 04:52

Kein Geld fürs Kino, für die Mitgliedschaft im Fußballverein oder die Klassenfahrt, von den Schulkameraden wegen der Billigklamotten gehänselt und ausgegrenzt : 2, 5 Millionen Kinder in Deutschland leben Studien zufolge in Armut – und sie leiden darunter.

Berlin ( ddp ). Armut ist in Deutschland zunächst einmal eine statistische Größe. " Als arm gilt, wer weniger als die Hälfte eines monatlichen Durchschnittseinkommens

verdient ", erläutert Andreas Kalbitz vom Deutschen Kinderschutzbund. Für Wolfgang Büscher vom Berliner Kinderprojekt Arche gilt : " Arm ist, wer von Hartz IV leben muss, denn die Regelsätze reichen bei weitem nicht für einen angemessenen Lebensstandard. "

" Es geht nicht bloß darum, dass Kinder auf Luxusartikel verzichten müssen, die für Altersgenossen aus wohlhabendem Haus selbstverständlich sind ", betont Kalbitz. Armut wirke sich viel weitreichender aus, die Konsequenzen der knappen Familienkasse erlebten betroffene Kinder tagtäglich : " Wenn kein Geld da ist für Kinobesuche, Musikunterricht oder Sportverein, verlieren sie schnell den sozialen AnschlussanihreAltersgenossen ", sagt der Armutsexperte des Kinderschutzbundes.

Thema altersgerecht

ansprechen

Und das hinterlässt Spuren, schlägt sich gar auf die Gesundheit nieder, körperlich wie psychisch. " Diese Kinder haben das Gefühl, im Alltag nicht mithalten zu können ", sagt Kalbitz. Das nage an ihrem Selbstbewusstsein. Bei vielen, so Büscher, setze sich schon früh die Überzeugung fest : " Ich kann nichts, ich bin nichts, ich werde wie meine Eltern von Hartz IV leben. " Fatalerweise raube ihnen diese Resignation den notwendigen Antrieb, Leistung zu bringen, etwa in der Schule. " Die Kinder werden unbemerkt von der Hoffnungslosigkeit der Erwachsenen angesteckt ", sagt er.

Büscher und Kalbitz stellen außerdem fest, dass die Armut in vielen Fällen das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern arg belastet. " Sie werfen ihren Vätern und Müttern vor, für die Situation verantwortlich zu sein ", erzählt Büscher und ergänzt : " Dabei müssen gerade Eltern ihren Kindern eine Stütze sein. " Vielen Erwachsenen sei das aber nicht möglich, weil sie selbst unter der Armut litten. " Wie sollen Eltern, die selbst perspektivlos sind, Kindern eine Perspektive geben ", fragt er.

Kalbitz hält es für enorm wichtig, dass Eltern offen, aber altersgerecht mit ihrem Nachwuchs über die finanzielle Not der Familie reden. " Die Probleme dürfen nicht kaschiert werden ", unterstreicht er. Ein Kind müsse verstehe, warum etwa der Wunsch nach einem Spielzeug nicht erfüllt werden könne. Büscher mahnt hier jedoch zu Vorsicht : " Wo Kinder nur mit Problemen konfrontiert werden, können sie keine Kinder sein – und das macht sie kaputt. "

In vielen Fällen sei es hilfreich, Hilfe von außen in Form von Beratungs- und Freizeitangeboten für sozial Schwache in Anspruch zu nehmen, rät Kalbitz. " Leider werden diese Möglichkeiten oft vernachlässigt, meist aus Scham, sich als arm und hilfebedürftig zu outen. " Dabei mangele es an Betreuungsangeboten nun wahrlich nicht. Allein der Kinderschutzbund sei in mehr als 400 Städten vertreten.

Orientierung im Dschungel der Angebote verschafften zahlreicheInternetportale. Diese hätten obendrein den Vorteil, dass Eltern hier zunächst anonym Informationen sammeln könnten. " Eine E-Mail ist eine geringere Hürde als ein Telefonat ", sagt Kalbitz. Eltern sollten aber nicht nur nach Angeboten für ihre Kinder suchen, sondern selbst solche in Anspruch nehmen, merkt Büscher an. " Nur so können sie ihren Söhnen und Töchtern ein Vorbild sein und ihnen dabei helfen, Hemmschwellen zu überwinden ", sagt er.

Ein verbreitetes Problem ist laut Arche-Mitarbeiter Büscher, dass viele Eltern gar keinen Überblick über die Fülle an Betreuungs- und Hilfsangeboten hätten. " So wissen etliche nicht, dass es in vielen Kommunen etwa Befreiungen von Vereinsgebühren oder Zuschüsse zu Schulessen gibt ", kritisiert er. Auch Nachhilfekurse für Kinder aus finanziell schlecht gestellten Familien gebe es, ja sogar Markenklamotten. " Die Arche kooperierte zum Beispiel bei einer Aktion mit einem namhaften Turnschuhhersteller ", erzählt Büscher.