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Kein Ruhestand Der Tierpark Berlin wird 65

Wettrüsten - das ging im Kalten Krieg in Berlin auch mit Tieren. Die Geschichte des Tierparks Berlin klingt manchmal so wild wie manche seiner Bewohner. Heute hat er wieder eine Zukunft.

Von Ulrike von Leszczynski, dpa 30.06.2020, 12:39

Berlin (dpa/bb) - Der Berliner Tierpark kommt ins Rentenalter: An diesem Donnerstag wird der Zoo im Osten Berlins 65 Jahre alt. Zum runden Geburtstag stehen die Zeichen aber kaum auf Ruhestand. Der Tierpark hat weiter viel vor, um aus dem DDR-Erbe einen modernen Geo-Zoo zu machen.

Neuester Baustein: Die Eröffnung des Alfred-Brehm-Hauses als Regenwaldhaus in diesem Sommer. Besucher sollen dort in die tropische Welt südostasiatischer Inseln eintauchen, in den Lebensraum von Sumatra-Tiger, Java-Leopard und Baumkänguru.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Dass nun aber die Kamele als erste eine große Geburtstagstorte aus Heu und Äpfeln bekommen, mag kein Zufall sein. Ein zweihöckriges Kamel gehörte 1955 zu den ersten Bewohnern im Tierpark - neben einem Storch.

Mancher, der das Gelände mit U-Bahn-Anschluss im Stadtteil Friedrichsfelde neu entdeckt, mag staunen: Im Vergleich zum Zoo im Zentrum der City West ist der Tierpark weitläufiger, auch viele Gehege wirken größer. Und welcher Zoo hat schon ein frühklassizistisches Schloss und einen Lenné-Park? Dennoch war nach der Wende unsicher, ob der Tierpark bleiben kann und soll. Heute gilt: Die größte Stadt Deutschlands verträgt zwei Zoos - gerade, weil sie so verschieden sind.

Kommunistisches Highlight und Vorzeigeobjekt

Für Millionen DDR-Bürger war der 160 Hektar große Tierpark vor dem Mauerfall ein Magnet. Anfangs schippten einige auf den Brachen mit und leisteten tausende "Aufbaustunden". Die Anlage, die mit einem Tiermosaik im U-Bahnhof beginnt, wurde schnell zu einem Besuchermagneten. Der eloquente erste Tierparkdirektor Heinrich Dathe (1910-1991) blieb lange eine Berühmtheit.

Zur Eröffnung des Tierparks im Sommer 1955 kam DDR-Präsident Wilhelm Pieck: Der älteste Zoo Deutschlands in Westberlin und der Tierpark als nagelneue Anlage im Osten - das war auch so etwas wie ein Wettrüsten mit Tieren im Kalten Krieg.

Der erste Punktsieg in Sachen Pandas ging dabei an den Tierpark: 1958 präsentierte Dathe die Bärin "Chi Chi". Das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg war damit wieder ein Panda in Deutschland zu sehen, wenn auch nur für einige Wochen. Der Zoo konnte erst 1980 mit "Tjen Tjen" und "Bao Bao" nachziehen, vermittelt vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD).

Mit den Gedanken noch in der DDR

Panda-Diplomatie mit China auf höchster Ebene gibt es bis heute, aber ohne tierischen Ost-West-Aspekt. Beide Berliner Institutionen werden heute unter einem Dach gemanagt, Forschung und Artenschutz inklusive. Doch nirgendwo sonst in Berlin sei die Mauer in den Köpfen noch so präsent wie in der Identifikation mit Zoo oder Tierpark, schreibt der Journalist Jan Mohnhaupt in seinem Buch "Der Zoo der Anderen" - von 2017.

Auch in den Bilanzen gibt es weiter große Unterschiede. Der Zoo als traditionsreiche Aktiengesellschaft, der mit zentraler Lage auch von Touristen profitiert, kann sich mit zuletzt 3,5 Millionen Besuchern im Jahr und vielen Spendern heute wieder selbst tragen. Der Tierpark mit 1,5 Millionen Gästen braucht weiter millionenschwere Zuschüsse des Landes. Welche Schneisen die Pandemie 2020 in die Kalkulationen schlägt, ist noch kaum absehbar.

Neues Konzept zum modernen Tierpark

Ein Facelifting in Sachen artgerechter Tierhaltung und mehr Attraktivität für Besucher brauchen Zoo und Tierpark weiterhin beide. Nach langem Stillstand sorgt dafür seit sechs Jahren Direktor Andreas Knieriem mit hohem Anspruch. Beide Zoos zusammen sollen einmal zu den modernsten Tierparks der Welt zählen - lautet das ehrgeizige Ziel des Entwicklers.

Was Knieriem im Tierpark vorfand, war 2014 wenig erquicklich. Die Energieversorgung marode, Gehege mit Zäunen nicht mehr zeitgemäß, Spielplätze unzureichend, ein verwirrendes Wegesystem, mäßige Gastronomie. Knieriem pflanzt hier nun Stück für Stück ein, was er Zukunftsbausteine nennt. Geo-Zoo, das heißt, dass Tiere hier als Nachbarn leben, die sie in freier Wildbahn auch wären. Ein Zoo ist für Knieriem immer auch Lernort: ein sinnlicher, Klimawandel und Klimaschutz inbegriffen.

2015 klangen die Summen für die neuen Konzepte noch schwindelerregend: In den Tierpark sollen bis 2030 rund 92 Millionen Euro investiert werden, hieß es. So mancher dachte da an die typischen Berliner Luftschlösser.

Investitionen und große Visionen

Aber Knieriem und sein Team haben in den vergangenen Jahren geliefert. Knapp 50 Millionen Euro seien bereits investiert, sagt Sprecherin Philine Hachmeister. Das größte Projekt im Tierpark sei im Moment der Umbau des Brehm-Hauses aus dem Jahr 1963. Kalkuliert waren allein dafür rund sechs Millionen Euro. Vor Kurzem öffnete das erste Teilstück der neuen Afrikawelt. Und es gibt inzwischen einen Wasserspielplatz, der manche Kinder noch mehr fasziniert als die rund 9.000 Tiere.

Mit "Hertha", dem ersten überlebenden Eisbärjungen seit Jahren, gelang dem Tierpark ein Zuchterfolg, der deutlich mehr Besucher lockte. Vorher hatte das ganze tierverrückte Berlin gelernt: Viele Eisbärbabys sterben - in der Natur und im Zoo.

In den nächsten beiden Jahren soll im Tierpark der Umbau des Dickhäuterhauses beginnen, samt Savannenlandschaft für Zebras, Giraffen und Antilopen. In Vorbereitung ist das Himalaya-Gebirge. An Visionen für die Zukunft fehlt es dabei nicht: Besucher schweben darin in einer Gondel über Schneeleoparden hinweg.

© dpa-infocom, dpa:200630-99-618271/2

Tierpark Berlin

Fabian Sommer
Fabian Sommer
dpa
Paul Zinken
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dpa
Bernd von Jutrczenka
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dpa