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Zum 150. Geburtstag Maxim Gorki und das Blockhaus in Bad Saarow

In Bad Saarow steht ein auffälliges, denkmalgeschütztes Holzhaus, das nach dem russischen Schriftsteller Maxim Gorki benannt ist. Der lebte in den Zwanzigern tatsächlich in dem Kurort. Eine Verbindung zu dem markanten Gebäude gab es allerdings nicht.

Von Jeanette Bederke, dpa 30.04.2018, 09:32
Die Agentinierin Maria Luisa Tomaso seht vor ihrem Haus, dem Maxim-Gorki-Haus in Bad Saarow. Erst vor drei Jahren hat sie das Haus mit ihrer Familie erstanden. Foto: Patrick Pleul
Die Agentinierin Maria Luisa Tomaso seht vor ihrem Haus, dem Maxim-Gorki-Haus in Bad Saarow. Erst vor drei Jahren hat sie das Haus mit ihrer Familie erstanden. Foto: Patrick Pleul dpa-Zentralbild

Bad Saarow (dpa) - Das dreistöckige dunkle Blockhaus in Bad Saarow (Oder-Spree) ist ein echter Hingucker: Üppig dekoriert mit roten, geschnitzten Zierleisten und einem tiefen Satteldach wirkt es wie aus einem russischen Märchen.

Da verwundert es nicht, dass das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1920 im Ort als "Gorki-Haus" bezeichnet wird. Viele ältere Bewohner kennen aus DDR-Zeiten noch die dort eingerichtete Gedenkstätte in Erinnerung an den Schriftsteller Maxim Gorki und die geschnitzte Büste vor dem Haus.

"Gorki, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiern würde, weilte 1923 tatsächlich in Bad Saarow, um ein Lungenleiden auszukurieren. In dem Haus aber ist er wohl nie gewesen", meint Gästeführer Burkhard Teichert klar. Unterlagen aus dieser Zeit gebe es zwar kaum, dennoch sei er sich da ziemlich sicher. Das Gebäude ist zudem nicht russischer, sondern skandinavischer Bauart.

Das Sanatorium am ehemaligen Kronprinzendamm, in dem der schon damals weltberühmte Schriftsteller tatsächlich über Monate auf einer ganzen Etage lebte und arbeitete, gibt es schon lange nicht mehr. "Zu DDR-Zeiten besann man sich auf Bad Saarows prominenten Gast. Gorki wurde ja verehrt, seine Werke waren Schulstoff. Und da kam das markante Holzhaus gerade recht", erzählt Teichert.

Nachdem das charakteristische Bauwerk lange als Mehrfamilienhaus diente, sei dort 1972 die Gedenkstätte anlässlich des 50. Jahrestags der Sowjetunion eröffnet worden, sagt der Hobbyhistoriker. 1997 musste sie aber wieder ausziehen, weil die Erben der rechtmäßigen Besitzer und Erbauer - eine jüdische Bankiersfamilie - ihren Besitz zurückbekamen, fügt er hinzu. Zwischenzeitlich wurde ein Architektenpaar zum neuen Bewohner.

Von diesem kaufte Maria Luisa di Tomaso mit ihrer Familie vor drei Jahren den markanten Holzbau. Die gebürtige Argentinierin war beim ersten Anblick sofort fasziniert. "Das Haus wirkte wie aus einem Märchen, mit verwildertem Garten und hoher, dichter Hecke", erinnert sich die 55-Jährige, die ihr neues Zuhause ganz bewusst "Villa Putti" nennt, so wie von den jüdischen Erbauern einst getauft.

"Diese Geschichte war es, die mich letztlich berührte. Die Familie hatte 1938 vor den Nazis fliehen müssen, nach Brasilien", erzählt die gelernte Pädagogin, die in ihrer Heimat auf eine jüdische Schule ging. Sie habe es gereizt, die Schönheit der Architektur wieder sichtbar zu machen. Wie viel sie und ihr Mann letztlich investierten, um aus der etwas verbauten, einstigen Pension der Vorbesitzer ein lichtdurchflutetes Zuhause mit Lehm- und Hanfdämmung sowie einem großzügigen Eingangsbereich zu machen, will sie nicht sagen. Nur so viel deutet sie an: "Wir mussten einen Kredit aufnehmen."

Mit ihrem deutschen Mann und den drei Kindern hat di Tomaso lange in Berlin gelebt. Brandenburg hatte die in Buenos Aires aufgewachsene Großstädterin immer als etwas trist empfunden, wie sie bekennt. "Mit Ausnahme von Bad Saarow. Dieser Ort hat so etwas wie Ostsee-Flair." Nicht umsonst hatte schon der Dichter Theodor Fontane den angrenzenden Scharmützelsee als "Märkisches Meer" bezeichnet.

Inzwischen brauche sie die Großstadt nicht mehr jeden Tag, sagt di Tomaso, die aus der einstigen Blockhaus-Garage eine schnuckelige Ferienwohnung gemacht hat und diese vermietet. Als Gästelektüre stehen dort auch Gorkis Werke im Regal. Der Schriftsteller war für die Wahl-Deutsche übrigens kein Unbekannter. "Meine Eltern waren Kommunisten", erzählt sie.

Doch mit ihrem Haus habe er nun einmal nichts zu tun. Dass immer noch Neugierige kommen, die sich an die Gedenkstätte erinnern und mal schauen wollen, was daraus geworden ist, kann die neue Hausherrin aber verstehen. "Ich habe schon oft Wildfremden fast alles gezeigt", erzählt sie lachend. Dem Förderverein Kurort Bad Saarow, den auch Teichert unterstützt, hat die 55-Jährige angeboten, einmal im Monat Führungen für kleine Gästegruppen anzubieten.

Wer mehr zu Gorki und den anderen 54 Schriftstellern wie Fontane, Becher oder Preißler wissen möchte, die zumindest zeitweise in Bad Saarow lebten oder über den Ort schrieben, der ist im Literaturkabinett des Fördervereins richtig. "Das haben wir 2016 im ehemaligen Moorbad, dem heutigen Saarow Centrum eingerichtet - inklusive kleiner Bibliothek", erzählt Teichert. Von Gorki gebe es dort deutsche Erstausgaben seiner bekanntesten Werke, sagt er.

Förderverein Kurort Bad Saarow

Geschichte des "Gorki-Hauses"

Eine jüdische Bankiersfamilie aus Berlin hat das markante Holzhaus 1920 in die damals aufstrebende Landhauskolonie Bad Saarows als Sommerdomizil bauen lassen. Da die Ehefrau des Bankiers aus Skandinavien stammte, entschied sich das Paar für den charakteristischen Blockhausstil aus Finnland. Benannt wurde das Gebäude nach der Tochter der beiden, Putti. 1938 musste die Familie vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Brasilien fliehen.

Ihr Wochenenddomizil in Bad Saarow (Oder-Spree) diente auch nach 1945 zunächst als Wohngebäude. Aus Anlass des 50. Jahrestags der Sowjetunion wurde das Gebäude jedoch öffentliche Gedenkstätte und Bibliothek zu Ehren des Schriftstellers Maxim Gorki, der 1923 ein paar Monate in dem Kurort lebte und arbeitete. Da die Erben der Bankiersfamilie das Anwesen nach der Wende zurückbekamen, musste die Gedenkstätte ausziehen. Die Gemeinde Bad Saarow hatte sich zuvor vergeblich um einen Kauf bemüht.

Maria Luisa Tomaso ist fasziniert vom Aussehen und der Geschichte des Hauses. Foto: Patrick Pleul
Maria Luisa Tomaso ist fasziniert vom Aussehen und der Geschichte des Hauses. Foto: Patrick Pleul
dpa-Zentralbild