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Zweijähriges Berufsverbot für Havelberger Zahnarzt / Verteidiger will Revision prüfen 14 Monate Haft für sieben eigenmächtig gezogene Zähne

Von Wolfgang Biermann 23.05.2013, 01:15

Stendal l Das Landgericht Stendal hat gestern den mehrfach vorbestraften Zahnarzt Thorsten S. aus Havelberg (Landkreis Stendal) wegen Körperverletzung zu 14 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt und ein zweijähriges Berufsverbot ausgesprochen.

Die Berufungskammer unter Vorsitz von Richter Gundolf Rüge sah es als "zweifelsfrei erwiesen" an, dass der 42-Jährige einer heute 41-jährigen Patientin aus Seehausen (Altmark) am 14. April 2010 "ohne wirksame Zustimmung" sieben Zähne unter Vollnarkose gezogen hat. Die Richter bestätigten damit weitgehend ein Urteil des Amtsgerichts Stendal. Für das Landgericht steht aber fest, dass die Patientin damit rechnen musste, dass ihr bis zu vier Zähne hätten gezogen werden müssen. Das Amtsgericht war von elf ohne Zustimmung gezogenen Zähnen ausgegangen und zu einer Haftstrafe von 15 Monaten gekommen. Gegen das Urteil hatte Thorsten S. Berufung eingelegt.

Schon 2007 war er wegen des Ziehens von 20 Zähnen bei einem 18-Jährigen zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. "Das zeigt, dass er keine richtigen Schlussfolgerungen aus der damaligen Verurteilung gezogen hat", wertete Richter Rüge die neuerliche Tat, die S. in der Bewährungszeit beging. "Es mag sein, dass er die Patientin weitgehend aufgeklärt hat." Das setzte aber voraus, dass er selber Bescheid wusste. Und genau das stellte das Gericht in Zweifel, weil Thorsten S. nur ein Röntgenbild der überweisenden Zahnärztin zur Verfügung hatte.

"Das Gesamtverhalten des Angeklagten lässt uns fassungslos zurück", sagte Rüge in der Urteilsbegründung. Er sprach von einem "bitteren Nachgeschmack", weil Thorsten S. erst im Prozess neue Beweismittel vorlegte. Er wolle indes nicht so weit gehen, von Fälschung zu sprechen, so Richter Rüge. Der im Saal anwesende Mann, dem S. 20 Zähne zog, hielt das Urteil für "spitze". Ein Prozessbeobachter der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt wertete gegenüber der Volksstimme das noch nicht rechtskräftige Urteil als "gerecht".

Unabhängig vom Strafverfahren war S. verwaltungsrechtlich die Approbation entzogen worden. Dagegen geht er gerichtlich vor, verlor aber Ende April in erster Instanz. Das Urteil nahm der Angeklagte sichtlich getroffen auf. Sein Verteidiger kündigte an, eine Revision zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich mit dem Urteil zufrieden.