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Fachkräfte Nerds sind Mangelware

In Sachsen-Anhalt haben sich zahlreiche IT-Unternehmen angesiedelt. Doch den Firmen fällt es zunehmend schwer, offene Stellen zu besetzen.

11.10.2015, 23:01

Magdeburg l Burkhard Sell sitzt vor dem großen Panorama-Fenster in seiner Firma im Magdeburger Wissenschaftshafen. „Hier“, sagt Sell, „versuche ich die Bewerber von uns zu überzeugen, vom Unternehmen und von der Stadt.“ Sein Blick fällt auf die Elbe, die gemächlich vorbeifließt. Ein schöner Anblick. Sell leitet den Magdeburger Standort des IT-Unternehmens Crafting-IT, das sich im vergangenen Jahr in der Landeshauptstadt angesiedelt hat. 100 Arbeitsplätze sollten entstehen. Davon ist die Firma weit entfernt, liegt aber, laut Sell, im Plan. Derzeit arbeiten 14 Mitarbeiter für den IT-Dienstleister.

Doch die Suche nach Fachkräften ist eine Herausforderung. Franziska Köller ist bei Crafting-IT für neues Personal zuständig. „Gerade Informatiker, die über Spezialwissen für bestimmte Anwendungen verfügen, sind schwer zu finden“, erklärt Köller. Teilweise hätten Unternehmen in Sachsen-Anhalt Aufträge nicht annehmen können, weil das Personal fehlte.

Der Verband der IT- und Multimediaindustrie Sachsen-Anhalt schätzt den akuten Bedarf an Fachkräften bei IT-Unternehmen des Landes auf 700 Stellen. Hinzu kämen jährlich 200 Stellen, die besetzt werden müssten. „Die Nachfrage nach IT-Fachkräften ist ohne Zweifel groß. Den Unternehmen fällt es zunehmend schwerer, offene Stellen zu besetzen“, sagt Marco Langhof, Verbandsvorsitzender.

Joscha Krug, Geschäftsführer des Magdeburger Webseiten-Entwicklers Marmalade GmbH, ist bei der Suche nach Personal einfallsreich. In Stellenanzeigen auf der Homepage des Unternehmens wirbt er mit Notebooks, die auch nach der Arbeitszeit benutzt werden dürfen, und mit Vollverpflegung. Bei der Arbeit erhalten seine Angestellten kostenlose Getränke und Sandwiches. „Wir wollen als Unternehmen attraktiv sein“, sagt Krug. Dennoch muss er für bestimmte Projekte Fachkräfte einkaufen. Marmalade arbeitet dabei mit einer IT-Firma aus Litauen zusammen, deren Geschäft es ist, Spezialisten an Unternehmen in ganz Europa auszuleihen. „Auch in den kommenden Jahren werde ich kaum IT-Fachkräfte in Sachsen-Anhalt finden“, ist Krug sich sicher.

Dabei verlassen jährlich etwa 450 Informatiker als Absolventen die Hochschulen des Landes, teilt das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft mit. Doch viele zieht es direkt nach West- oder Süddeutschland, wo durchschnittlich noch immer mehr Gehalt gezahlt wird. „National und international ist der Bedarf an IT-Spezialisten hoch. Durch die zahlreichen Neuansiedlungen in Sachsen-Anhalt hat sich das Problem hierher verlagert“, erklärt Andreas Nürnberger, Professor an der Fakultät für Informatik der Universität Magdeburg.

Kurzfristig werden auch die Universitäten das Fachkräfte-Problem nicht beheben können, glaubt Nürnberger. „Den Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als Projekte abzulehnen“, so der Hochschullehrer. Landesweit haben die Studierendenzahlen zwar zugenommen, dennoch ist die Auslastung der Informatik-Studiengänge eher gering und liegt nach Angaben des Ministeriums bei etwa 70 Prozent. 2013 empfahl der Wissenschaftsrat des Landes daher, den Informatikstandort in Halle aufzugeben. Es gebe landesweit ein Überangebot, teilte das Ministerium damals mit. Daraufhin gab es Proteste, nicht nur von Hochschulangehörigen, sondern auch von Unternehmen.

Denn für die Firmen im Land ist es wichtig, den Standort attraktiv zu halten. Ansiedlungen namhafter Unternehmen wie Dell in Halle sowie IBM, T-Systems und Crafting-IT in Magdeburg haben zwar dazu beigetragen, Sachsen-Anhalt als IT-Standort zu etablieren, gleichzeitig aber auch den Wettbewerb zwischen den Betrieben um die Spezialisten verschärft. „Einige Firmen waren bei ihrer Ansiedlung vielleicht zu optimistisch. Umso wichtiger ist, dass nun alle an einem Strang ziehen“, sagt Andreas Nürnberger.

In Magdeburg arbeiten Universität und Unternehmen zunehmend enger zusammen, um kluge Köpfe anzulocken. Eine Stellenbörse gibt es längst. In mehreren Treffen ist über Kooperationen und Praktika während des Studiums gesprochen worden. Auch über den Aufbau eines dualen Studienganges wird verhandelt. Landesweit ist durch die Investitionsbank zudem die IT-Fachkräfteallianz gegründet worden.